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Zum Ende der Seite springen Die Nordchinesin, ihr Gepäck, der Kardinal und seine Liebe zu Feuer
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 Die Nordchinesin, ihr Gepäck, der Kardinal und seine Liebe zu Feuer demophilo 29.09.2007 22:03

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Aus dem Leben gegriffen
Kolumne von Karl Linek

Diesen Sommer sind meine Frau und ich von Kunming (kleine nur wenigen bekannte 5-Millionenstadt in der Provinz Yunnan in China) nach Shenyang (auch nur 7 Mio. Einwohner) geflogen. Das Flugzeug war ziemlich voll und wie in China üblich drängten alle ohne Rücksicht hinein. Der Stresspegel lag schon etwas hoch. Zusätzlich haben die Chinesen die Angewohnheit, so viel wie möglich als Handgepäck mitzunehmen, um das Einchecken des Gepäcks zu vermeiden. Wer später ins Flugzeug kommt, hat vielleicht keinen Platz mehr für sein Gepäck über seinem Sitzplatz und muss es weiter weg verstauen, was ein Abhandenkommen des Gutes begünstigt.

Eine Chinesin hatte ihr Handgepäck nicht optimal verstaut und wurde von einer anderen Chinesin aufgefordert etwas Ordnung in ihr Chaos zu bringen, so dass das Gepäck der zweiten Chinesin auch rein passt. Die Erste verweigerte. Darauf wurde die Stimme der zweiten Chinesin sehr laut. Die Stimme überschlug sich fast. Ich verstand zwar nichts, aber meine Frau sagte mir, dass die erste Chinesin nun Angst bekam, da sie jetzt erst den nordchinesischen Akzent der zweiten Chinesin heraushörte. Meine Frau erklärte mir, dass die Nordchinesen nicht lange streiten sondern bald handgreiflich werden, während die anderen Chinesen zwar laut werden und lange streiten, aber es doch im Wesentlichen sehr friedlich zugeht.

Meine Frau (ebenfalls Nordchinesin) erklärte mir das so: Die Nordchinesen wollen nicht lange streiten. Sie hassen den Streit so sehr, dass sie gleich zuschlagen. Diese Art des Pazifismus war mir bisher unbekannt. Oder vielmehr: Ich hielt das schnelle Drauf-los-schlagen immer für reine, dumme Aggression. Die Entdeckung, dass dahinter jedoch eine Ghandi überbietende Friedensliebe steckt, erstaunte mich doch etwas.

Es ist sicher eine Geschichte, welche zum Schmunzeln anregt. Man ist versucht, das einer Kultur zuzuschreiben. Nordchinesen seien halt so. Doch man sollte sich von Vorurteilen prinzipiell lossagen. Dieser Tage wurde mir von einem guten Freund die Krone Bunt unter die Nase gehalten. Da musste ich (unter Zwang ;-)) lesen, wie Kardinal Schönborn die Bibel interpretiert. Er geht auf die Einstellung von Jesus zum Krieg ein. Immer wieder fordert Jesus zum Kampf auf, der bis zur Aufgabe des eigenen Lebens gehen soll. Üblicherweise werden diese Aufrufe zum Kampf von den Theologen herabgespielt, indem sie erklären, dass es jener Kampf sei, den man aushalten muss. Und wenn Jesus vom Schwert spricht, welches er bringt, dann sei darunter das Wort Gottes zu verstehen.

Schönborn verwendet für seine Ausführungen Lukas 12,49-53. Da spricht Jesus von einem Feuer, welches er auf die Erde werfen will und das er nicht gekommen ist Frieden zu bringen. Der Kardinal sinniert darüber, welches Feuer da gemeint sei. Vertraut mit der Geschichte der Inquisition, fiele uns Freidenkern da wohl einiges ein. Doch der Mann in den roten Socken weiß es besser. Es sei das Feuer der Liebe, welches Jesus so sehr für die Welt herbeisehnte. Aus dieser Brandrede machten die Herrn Cheftheologen schon vor langer Zeit einen Kampf, den man aushalten muss und nun erklärt ihre Eminenz, dass diese verstockten Gottlosen auch das Feuer falsch verstanden haben.

Ein Vergleich von „östlichem“ Denken und „westlichem“ Denken drängt sich auf. Auf der einen Seite steht der Nordchinesische Hass auf Streit, auf der anderen Seite der Aufruf, das Feuer der Liebe zu verbreiten. Es ist interessant, wie sich die Denkweisen unterscheiden und das Ergebnis für die Anderen doch nicht befriedigend ist.

Gleich ist jedenfalls der Hang, Gewalttaten zu rechtfertigen, zu verharmlosen und völlig wegzufabulieren. Schönrederei ist ein wichtiger Teil aller Gewaltkulturen. Deshalb wird dann auch von ethnischer Säuberung anstatt von Deportation und Massenmord gesprochen. Aus Kriegsministerien wurden Verteidigungsministerien. Aus einer Brandrede wird ein Aufruf zur Liebe. Und aus einem Schlag ins Gesicht wird die Liebe zur zwischenmenschlichen Harmonie. Bei so viel Friedensliebe sehnt man sich so richtig nach einem gepflegten Streit mit einem anständigen Raufhansl.

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Es gibt ein Leben vor dem Tod.
29.09.2007 22:03 Offline | EMail | suchen | Freundesliste | Portal
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