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Ein harter Sprung ins 20. Jahrhundert von Hugo Wolf zum französischen Komponisten Olivier Messiaen.
Der Lehrer von unter anderen Karlheinz Stockhausen und Pierre Boulez, Olivier Messiaen, pflegte viel Zeit im Wald zu verbringen, um den Gesang der Vögel zu studieren. Mit Notenpapier in der Hand und einem Barett auf dem Kopf lauschte er stundenlang dem Vogelgesang, um den Gesang der Vögel in seine Partituren genau so, wie er ihn notiert hatte, einfließen zu lassen.
Olivier Messiaen
Das Original-Samt-Barett von Richard Wagner, das ich im Haus "Wahnfried" in Bayreuth gesehen habe, weist gewisse Ähnlichkeiten mit dem Barett von Olivier Messiaen auf. (Vielleicht wollte er die Vögel lieber auf ein Wagner-Barett kacken lassen.)
Weiters legte Olivier Messiaen großen Wert auf ein erweitertes Konzerterlebnis durch an die Musik angepasste, bei ihm durch Scheinwerfer erzielte Farbgebungen - in Anlehnung an die Farborgel von Alexander Skrjabin. Manche seiner Akkorde lassen sich als Erweiterungen impressionistischer Akkorde von Claude Debussy interpretieren und analysieren.
In seiner in den Jahren 1946 bis 1948 komponierten 10-sätzigen Turangalîla-Symphonie in Anlehnung an Richard Wagners Tristan-Thematik vereinte Olivier Messiaen sämtliche seiner Vorstellungen von einem ideal-umfassenden musikalischen Werk.
Olivier Messiaen: Turangalîla-Symphonie für großes Orchester, Klavier und Ondes Martenot. Orchestre Philharmonique de Radio France unter Chung Myung-whun: youtube.com/watch?v=8PjyCpRKDrk
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23.04.2016 18:10 |
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Frank Martin, einer der bedeutendsten Schweizer Komponisten des 20. Jahrhunderts, verband die Dodekaphonie (Zwölftonmusik) von Arnold Schönberg mit tonaler Ordnung und bereicherte diese Synthese durch konzentrierte Rhythmik und klangliche Farbigkeit, woraus sein ganz persönlicher musikalischer Stil resultierte.
Frank Martin
Mit dem 2. Klavierkonzert, entstanden in den Jahren 1968/69, zeigte Frank Martin noch einmal seine Kompositionstechnik, bei gezielt eingesetzter Zwölftontechnik den Boden der Tonalität ebenso zu wahren wie die traditionelle Verarbeitung von Themen.
Frank Martin komponierte dieses Werk für den großen, österreichischen Pianisten Paul Badura-Skoda, der bei der folgenden exemplarischen Aufnahme unter der Leitung des großen, österreichischen Dirigenten Josef Krips am Flügel sitzt.
Frank Martin: Klavierkonzert Nr. 2. Paul Badura-Skoda (Klavier), Concertgebouw-Orchester, Dirigent: Josef Krips: youtube.com/watch?v=2YUnLMlGFkk
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07.05.2016 16:09 |
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Mit dem am 26. Juli 1882 im Bayreuther Festspielhaus uraufgeführten Bühnenweihfestspiel "Parsifal" wurde Richard Wagners Idee eines Gesamtkunstwerks realisiert und der Weg zu einer Universalkultur der Zukunft aufgewiesen. Wagners Vorstellung von Anarchie bedeutete dabei konkret, dass allen an dem Projekt "Parsifal" beteiligten Personen bei ihrer Arbeit die größtmögliche Freiheit zusteht, unter der Voraussetzung, im Sinne des bestmöglichen Gelingens des Gesamtkunstwerks eifrig und kreativ tätig zu sein. Bei Wagners Dichtung und Musik mussten allerdings auch die Bühnenbilder, die Kostüme und die Choreografien letztlich dem Willen Wagners entsprechen.
Mit dem Bühnenweihfestspiel "Parsifal" verwirklichte Wagner auch seine Idee des räumlichen Klangs, indem er die Chöre der Gralsritter von links und rechts der Bühne in Bewegung singen ließ, um so einen dynamischen Stereoeffekt zu erzielen.
Im nach den Plänen von Richard Wagner errichteten Festspielhaus in Bayreuth ist das Orchester vor der Bühne so tief postiert, dass es vom gemäß eines Amphitheaters angelegten Publikumsbereich - Richard Wagner wollte kein Logenpublikum - nicht sichtbar ist. Zudem lenkt eine schwarz gefärbte, gerundete Holzwand den Schall des Orchesters zunächst auf die Bühne, bevor er von dort zurückgeworfen und durch die Resonanz der segelartigen Decke und des hohlen Bodens des Zuschauerraums verstärkt wird. Weiters postierte Richard Wagner aus akustischen Gründen und entgegen der üblichen Praxis die 2. Violinen links und die 1. Violinen rechts vom Dirigenten, damit der Klang der Violinen zusammen mit bestimmten Blechblasinstrumenten seinen Vorstellungen von idealer Harmonie entspricht.
Richard Wagner: Parsifal. 1. Aufzug, 2. Szene (Beginn):^1 youtube.com/watch?v=CBF2z_wJBPA
^1 Hans Sotin (Gurnemanz), Siegfried Jerusalem (Parsifal), Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele, Dirigent: Horst Stein.
Siehe auch Parsifal und der zerbrochene Gral
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18.06.2016 13:57 |
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Nachdem Richard Wagners romantische Oper "Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg" 1845 in Dresden uraufgeführt worden war, nahm der Dichter und Komponist bis 1860 zahlreiche Änderungen vor.
Richard Wagner, 1871
Während eines Aufenthalts in Paris eröffnete sich für Wagner die Möglichkeit, seinen "Tannhäuser" an der Pariser Oper aufführen zu lassen, sodass er nach der Dresdener Fassung auch eine Pariser Fassung der Oper schuf. Die Erstaufführung in Paris (1861) geriet zum Fiasko, eine Feindschaft zu Wagner hatte sich gebildet, es kam zu gezielten Störaktionen des Publikums, Gegenstände flogen auf die Bühne. Schließlich entschloss sich Wagner zu einer letztgültigen Wiener Fassung der Oper (1875).
Gemälde zur Oper "Tannhäuser" von John Collier aus dem Jahr 1901
Für eine gelungene Aufführung ist auch die Choreinstudierung von entscheidender Bedeutung und auch der "Tannhäuser" stellt hier eine hohe Herausforderung dar. Tannhäuser hat den Venusberg verlassen und hört aus der Ferne einen Pilgerchor - Choreinstudierung: Norbert Balatsch:^1 youtube.com/watch?v=-p3x_5pwOOk
^1 Hans Sotin (Landgraf), Spas Wenkoff (Tannhäuser), Bernd Weikl (Wolfram von Eschenbach), Robert Schunk (Walther von der Vogelweide), Franz Mazura (Biterolf), John Pickering (Heinrich der Schreiber), Heinz Feldhoff (Reinmar von Zweter), Gwyneth Jones (Venus/Elisabeth), Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele, Dirigent: Sir Colin Davis. Regie: Götz Friedrich.
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03.07.2016 14:01 |
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Die Umarbeitungen von Richard Wagner bei seiner Oper "Tannhäuser" ließen die Titelpartie bis an die Grenzen des Singbaren gehen. Auch mit der letztgültigen Wiener Fassung gehört diese Tenorpartie zu den schwierigsten überhaupt, da dem Sänger immer neue stimmliche Höhen abverlangt werden.
Spas Wenkoff als Tannhäuser greift im Venusberg in die Saiten, Gwyneth Jones als Venus: youtube.com/watch?v=10ytvU_JQjI Fortsetzung: youtube.com/watch?v=cr7mXHHFDd0
Richard Wagners "Tannhäuser" ist eine blasphemische Oper, da sie die "Unfehlbarkeit" des Papstes ad absurdum führt.
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03.07.2016 16:21 |
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1987 wurde dem großen Dirigenten Lorin Maazel die Frage gestellt, ob er bereit wäre, den 17 Stunden Musik umfassenden und aus vier Teilen bestehenden Opernzyklus "Der Ring des Nibelungen" von Richard Wagner ohne Gesang so zu komprimieren, dass die Musik auf eine CD passt. Maazel erinnerte sich, was ihm einst Wieland Wagner (Enkel von Richard Wagner) in Bayreuth gesagt hatte: "Im Orchester - da liegt doch das Wesentliche. Das ist der Text unterm Text, das ist das universale Unterbewusstsein, welches die Wagner'schen Figuren untereinander verbindet und mit dem Proto-Ego der Sage verknüpft." Und Lorin Maazel: "Die Orchesterpartitur selbst ist der Ring, verschlüsselt in einen Klang-Kode."
"Der 'Ring' ohne Worte" mit den Berliner Philharmonikern unter Lorin Maazel wurde ein großer Erfolg: youtube.com/watch?v=-HujjNQPv2U
Man nehme es mir nicht übel, wenn ich kurzfristig und leicht ironisch sowohl den absoluten als auch den relativen Mittelpunkt des Universums auf den Grünen Hügel von Bayreuth verlege, denn dort, wo heute das Bayreuther Festspielhaus zu bewundern ist, stand einst die mächtige Weltesche, welche die Welt und somit das gesamte Universum im Innersten zusammenhielt.
Das Richard-Wagner-Festspielhaus auf dem Grünen Hügel in Bayreuth
Damit man weiß, wie der Schöpfer wirklich ausgesehen hat:
Richard Wagner
Der auffällig streng gerade nach unten gerichtete Zeigefinger der rechten Hand ist rein kunstgeschichtlich betrachtet als stets latent-wachsames und universal-gültiges fleischliches Phallus-Symbol nur mit viel Mühe zu übersehen. Der Schöpfer war nämlich männlich - oder hat sich jemand etwas anderes erwartet?
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09.07.2016 13:59 |
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Die spezielle Relativitätstheorie von Albert Einstein befasst sich mit der Zunahme der Masse und den Änderungen von Raum und Zeit bei Annäherung an die Lichtgeschwindigkeit und zeigt, dass Masse (m) und Energie (E) äquivalent sind, dargestellt durch die bekannte Formel E=mc². Die allgemeine Relativitätstheorie bezieht die Gravitation mit ein und erklärt ihre Einflüsse auf das Raum-Zeit-Kontinuum.
Albert Einstein: "Mit der Erkenntnis der Relativität der Gleichzeitigkeit wurden Raum und Zeit in ähnlicher Weise zu einem einheitlichen Kontinuum verschmolzen, wie vorher die drei räumlichen Dimensionen zu einem einheitlichen Kontinuum verschmolzen worden waren. Der physikalische Raum wurde so zu einem vierdimensionalen Raum ergänzt, der auch die zeitliche Dimension enthält."^1
Im 1. Aufzug des Bühnenweihfestspiels "Parsifal" von Richard Wagner treffen wir auf den folgenden Dialog:
Parsifal: Ich schreite kaum,
doch wähn' ich mich schon weit.
Gurnemanz: Du siehst, mein Sohn,
zum Raum wird hier die Zeit.
Es geht hier um die Aufhebung von Gegensätzen, das Aufgehen des einen Prinzips im anderen und umgekehrt, aber auch um die Aufhebung des Subjekt-Objekt-Gegensatzes, womit sich wiederum ein Bezug zur Quantentheorie herstellen lässt. Wenn Parsifal dann im 3. Aufzug in das Gralsgebiet zurückkehrt, weiß er weder wo er sich befindet, noch was für ein Tag gerade ist, als ob für ihn Raum und Zeit gar nicht existierten. Er hat den Weg zum Gral von alleine gefunden, obwohl es gar keinen Weg zum Gral gibt; er wurde unbewusst vom Gral zum Gral geführt.
Ein andere Interpretation des oben angeführten Dialogs: Richard Wagner hatte für sein Bayreuther Festspielhaus eine Wandeldekoration erfunden, die im "Parsifal" in kurzer Zeit eine Waldlichtung in die Gralsburg verwandelt. Ob sich Wagner bei diesen Worten mehr gedacht hat oder lediglich ironisch - im "Parsifal" finden sich einige humoristische Textstellen - auf die Verwandlung der Bühne anspielen wollte, darüber darf über alle Räume und Zeiten hinaus bis in alle Ewigkeit spekuliert werden.
Die entsprechende Stelle - Verwandlungsmusik - im 1. Aufzug von Richard Wagners "Parsifal" mit Gottlob Frick als Gurnemanz und René Kollo als Parsifal mit den Wiener Philharmonikern unter Georg Solti: youtube.com/watch?v=v2NCDsooR44
^1 Albert Einstein: Mein Weltbild. Gütersloh: Bertelsmann Club. S. 168f.
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10.07.2016 12:21 |
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Ramon
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Das kennt doch jeder Alkoholiker auch. Er wacht auf, weiß nicht mal mehr, wie er dahin gekommen ist, wo er sich gerade befindet, aber sein "Durst", der ja nicht mal ein Mangel an Flüssigkeit ist, treibt ihn dazu, Sein und Schein beiseite zu lassen, Subjekt und Objekt zu übergehen, und sich mit der Flasche, die nicht da ist, ihn trotzdem führt, wieder zu vereinigen.
Andererseits, zu was, wenn nicht zum Alkoholiker, soll die geistige Verwandlung, hochprozentig und absolut sicher, schon führen, wenn man sich das unerträgliche Gedudel (dabei ginge die Musik ja noch, aber der Rest....) von Richard Wagner reinziehen muss?
__________________ "Man fragt sich nur besorgt, was die Sowjets anfangen werden, nachdem sie ihre Bourgeois ausgerottet haben.“
Sigmund Freud
__________________ Auszeichnungen:
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11.07.2016 18:05 |
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Bitte! Ob Franz Schubert mit seinem Alkoholismus mit 16 begann und Beethoven etwas später, steht hier nicht zur Diskussion. Wir sprechen hier von Richard Wagner - beim Alkohol konnte er zumeist Maß halten - und mitunter hat es auch der Text in sich. Selbstverständlich, da gebe ich dir recht, wäre Wagner rein als Dichter kaum in die Geschichte eingegangen.^1 Die Musik ist absolut, die Texte sind relativ.^2
^1 So mancher Opernkomponist hätte gern einen so guten Librettisten gehabt wie Richard Wagner, der seine Operntexte selbst schrieb.
^2 Wer hässlich in eine Wagner-Oper geht, kommt schön wieder heraus - optisch.
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12.07.2016 00:05 |
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Weil "Der 'Ring' ohne Worte" so erfolgreich war, entschloss sich Lorin Maazel auch zu einem "Tannhäuser ohne Worte". Dabei wurde keine einzige Note hinzugefügt und es dennoch geschafft, die Gesangsstimmen in den Orchesterklang einzubinden.
Tannhäuser Without Words. A Symphonic Synthesis by Lorin Maazel. Pittsburgh Symphony Orchestra, Lorin Maazel: youtube.com/watch?v=KOlkcrfsjUM&list=PLE9CC041105ECE19C
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13.07.2016 12:26 |
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Die Ouvertüren bei Richard Wagner dienen nicht nur dazu, den Hörer auf die jeweilige Oper einzustimmen, sie sollen auch mit den wichtigsten Themen und Motiven vertraut machen. Dabei ergaben sich symphonische Meisterwerke in der Form einer Ouvertüre. Ausnahmen bilden die vier Opern des "Rings", bei denen die Vorspiele in den jeweiligen Akt mündend anders angelegt sind.
Richard Wagner: Tannhäuser-Ouvertüre. Die Wiener Philharmoniker unter Valery Gergiev: youtube.com/watch?v=0SdOiuvFSgg
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14.07.2016 23:45 |
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Der 2. Aufzug in Richard Wagners blasphemischer Oper "Tannhäuser" beginnt freudig-erregt mit der sogenannten "Hallenarie" der Elisabeth.
Elisabeth (tritt freudig bewegt ein):
Dich, teure Halle, grüss ich wieder,
froh grüss ich dich, geliebter Raum!
In dir erwachen seine Lieder
und wecken mich aus düstrem Traum.
Da er aus dir geschieden,
wie öd erschienst du mir!
Aus mir entfloh der Frieden,
die Freude zog aus dir!
Wie jetzt mein Busen hoch sich hebet,
so scheinst du jetzt mir stolz und hehr,
der mich und dich so neu belebet,
nicht weilt er ferne mehr!
Sei mir gegrüsst!
Sei mir gegrüsst!
Du, teure Halle,
Sei mir gegrüsst!
Gwyneth Jones als Elisabeth, Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele, Dirigent: Sir Colin Davis. Regie: Götz Friedrich: youtube.com/watch?v=DjXOyFVZ3BE
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15.07.2016 23:04 |
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Tannhäuser, der sich im Venusberg Sexorgien hingegeben hatte, pilgerte nach Rom, um vom Papst Vergebung zu erlangen. Doch der Papst sagte:
Wie dieser Stab in meiner Hand
nie mehr sich schmückt mit frischem Grün,
kann aus der Hölle heißem Brand
Erlösung nimmer dir erblühn!
Aber dann ist der Stab doch mit frischem Grün geschmückt. Damit hat Richard Wagner 1845 ganz bewusst die "Unfehlbarkeit" des Papstes widerlegt. Anders gesagt: Was die Kirche sagt, zählt nicht.
Dem konservativen Teil des Publikums hat die mehrstöckig farbenprächtige und etwas plakative Inszenierung von Sebastian Baumgarten bei den Bayreuther Festspielen 2011 nicht gefallen, womit die Arbeit des Regisseurs eine klare und wichtige Bestätigung erfuhr.
Schluss der Oper "Tannhäuser". Lars Cleveman (Tannhäuser), Michael Nagy (Wolfram von Eschenbach), Camilla Nylund (Elisabeth), Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele, Dirigent: Thomas Hengelbrock. Regie: Sebastian Baumgarten. Bayreuther Festspiele 2011: youtube.com/watch?v=jU2JcNb0KfY
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16.07.2016 12:37 |
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Richard Wagner: Siegfried. 2. Aufzug, 2. Szene, 2. Teil (Waldweben und Drachenkampf)
Siegfried lauscht einem Waldvogel in den Zweigen über ihm.
Siegfried: [...]
Du holdes Vöglein!
Dich hört’ ich noch nie:
bist du im Wald hier daheim?
Verstünd’ ich sein süßes Stammeln!
Gewiß sagt’ es mir was
[...]
Hei! Ich versuch’s; sing’ ihm nach:
auf dem Rohr tön’ ich ihm ähnlich!
Entrat’ ich der Worte, achte der Weise,
sing’ ich so seine Sprache,
versteh’ ich wohl auch, was es spricht.
[...]
Er bläst auf dem Rohr. Er setzt ab, schnitzt wieder und bessert.
Das tönt nicht recht;
auf dem Rohre taugt
die wonnige Weise mir nicht.
[...]
Er nimmt das silberne Hifthorn und bläst darauf. Im Hintergrunde regt es sich. Fafner, in der Gestalt eines ungeheuren eidechsenartigen Schlangenwurmes, hat sich in der Höhle von seinem Lager erhoben.
Haha! Da hätte mein Lied
mir was Liebes erblasen!
Du wärst mir ein saub’rer Gesell!
Fafner: Was ist da?
Siegfried: Ei, bist du ein Tier,
das zum Sprechen taugt,
wohl ließ’ sich von dir was lernen?
Hier kennt einer das Fürchten nicht:
kann er’s von dir erfahren?
Fafner: Hast du Übermut?
Siegfried: Mut oder Übermut, was weiß ich!
Doch dir fahr’ ich zu Leibe,
lehrst du das Fürchten mich nicht!
Fafner: Trinken wollt’ ich:
nun treff’ ich auch Fraß!
Er öffnet seinen Rachen und zeigt die Zähne.
Siegfried: Eine zierliche Fresse zeigst du mir da,
lachende Zähne im Leckermaul!
[...]
Regie: Die katalanische Theatergruppe La Fura dels Baus und der Filmregisseur Carlus Padrissa
Richard Wagner: Siegfried. 2. Aufzug, 2. Szene, 2. Teil (Waldweben). Siegfried: Lance Ryan, Fafner: Stephen Milling, Stimme des Waldvogels: Marina Zyatkova, Orquestra de la Comunitat Valenciana, Dirigent: Zubin Mehta. Regie: La Fura dels Baus und Carlus Padrissa: youtube.com/watch?v=SvuHYsjIQ6w
Fortsetzung (Drachenkampf): youtube.com/watch?v=INFkpwRd59I
Fortsetzung (Stimme des Waldvogels): youtube.com/watch?v=mHoDj5kNO_s
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17.07.2016 12:53 |
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Siegfried im historischen Kontext
Um es gleich vorweg zu nehmen: Siegfried existierte. Die Siegfried-Sage ist ein gutes Beispiel dafür, wie aus Historie ein Mythos wird.
Siegfried = Arminius (Germane, der von den Römern ausgebildet wurde)
Drache = römische Armee
Schatz, den der Drache bewacht = Gold der Römer (144 Wagenladungen mit Gold) = Rheingold
Arminius besiegte mit seinen Mannen im September des Jahres 9 die römische Armee im Teutoburger Wald, dabei wurden 18.000 Römer getötet. Er kam so zu sehr viel Gold der Römer. Nach Streitigkeiten um das Gold wurde Arminius von Germanen getötet - in der Sage tötet Hagen Siegfried. Hagen versenkt das Gold im Rhein (Rheingold). Teile des Schatzes der Römer gelangten durch Überflutungen in den Rhein - der Rhein wurde im 19. Jahrhundert begradigt und verlief bis dahin anders als heute sehr verschlungen. Der Rest des Goldes wurde unter Germanen aufgeteilt und bei Übersiedlungen mitgenommen. Arminius wurde in Lorsch begraben.
Germanen = Barbaren
Burgunder = Nibelungen
Reich der Burgunder: In und um Worms
Etzel = Attila der Hunnenkönig
Tacitus (58 - 120) berichtete darüber.
Varusschlacht = Hermannsschlacht
Varus = Befehlshaber der Römer
Arminius = Hermann (Fürst der Cherusker)
Ort: Kalkriese bei Bramsche (Teutoburger Wald), ein Waldstück bei einem Sumpf
Die Römer ließen einige Jahre nach der Varusschlacht des Jahres 9 das Schlachtgebiet säubern; Römer entfernten im 1. Jahrhundert alles, was dort noch herumlag. Dennoch wurden dabei ein paar wertvolle Schätze übersehen, wie die Gesichtsmaske eines römischen Reiterhelms. Aufgrund neuer Funde weiß man, wo die Varusschlacht im Jahr 9 im Teutoburger Wald - sie dauerte drei Tage - genau stattfand. Es handelt sich insgesamt um ein Gebiet von 30 km² nördlich von Osnabrück. Um keinen Massen-Tourismus auszulösen mit Leuten, die wie wild herumgraben, wird der genaue Fundort außerhalb der Forschung kaum erwähnt. Heute ist dort ein Wald- und Ackergebiet: Kalkrieser-Niewedder Senke. Skelett-Funde von Römern und Germanen ergaben: Die durchschnittliche Körpergröße bei römischen Soldaten betrug 1 Meter 65, bei Germanen 1 Meter 76.
Die Thematik ist vor allem bekannt durch:
- Nibelungenlied (Beginn des 13. Jahrhunderts)
- Heinrich von Kleist: Die Hermannsschlacht (1808)
- Richard Wagner: Siegfried (1871)
Aus der historischen Varusschlacht im Jahr 9 wurde nach jahrhundertelanger mündlicher Überlieferung schließlich im Mittelalter ein Mythos mit Siegfried, der den Drachen besiegte. Das steckt dahinter. In der nüchternen Historie gibt es keine Wunder.
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17.07.2016 14:29 |
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Die gesamte Komplexität des Lebens, der gesellschaftlichen Verhältnisse mit ihren Konflikten, der Liebe und den Machtansprüchen, des Entstehens und des Untergangs ließ Richard Wagner in den Tiefen des Rheins aus der Tonart Es-Dur entstehen, die wogend und webend im 6/8-Takt tänzerisch nach oben drängend ihre drei Arme des Grundakkords in die drei Töchter des Rheins fließen lässt.^1
Richard Wagner: Das Rheingold. Vorspiel. Orchester der Bayreuther Festspiele, Dirigent: Georg Solti: youtube.com/watch?v=SL9B_hX6h0E
^1 Anders als beim 3/4-Takt werden die sechs Achtel des 6/8-Takts in zwei mal drei Achtel unterteilt.
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22.07.2016 12:07 |
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Nachdem den unschuldigen Rheintöchtern das Rheingold von dem Nibelungen Alberich, einem Zwerg, entrissen worden war, nahm das Unglück seinen Lauf, denn wer aus dem Rheingold einen Ring schmiedet und der Liebe abschwört, dem verhilft es zu endloser Macht. Und genau das tat der Zwerg Alberich. Er herrschte nun uneingeschränkt über das gesamte Nibelungenvolk, das er ausbeuterisch in den Goldminen von Nibelheim für sich arbeiten ließ, damit er immer reicher wird und die anderen immer ärmer, doch nur so lange, bis ihm Wotan und Loge, der Gott des Feuers, mit List und Tücke den Nibelungenschatz samt Ring und Tarnhelm, den Alberichs Zwergbruder Mime in der Zwischenzeit hergestellt hatte, abnahmen. Alberich konnte nur noch den Ring verfluchen, die Urmutter Erda prophezeite daraufhin das Ende der Götter, die Götterdämmerung. Wotan dachte - nur in der Musik enthalten - erstmals an Nothung, das Schwert, um dem Fluch Alberichs wirkungsvoll begegnen zu können. Gewitterwolken verdunkelten den Himmel und Donner, der Gott des Gewitters, schwang seinen Riesenhammer. Eine Regenbogenbrücke führte zu der im Licht der Abendsonne erstrahlenden von den Riesenbrüdern Fasolt und Fafner - Fafner hatte seinen Bruder Fasolt aus Habgier bereits erschlagen - errichteten Götterburg Walhall, die von den Göttern feierlich beschritten wurde. Vom Rhein her erklang die jammernde Klage der drei Rheintöchter:
Traulich und treu ist’s nur in der Tiefe:
falsch und feig ist, was dort oben sich freut!
Sie wollten ihr Gold zurück, um es in den Tiefen des Rheins vor den Menschen zu schützen. Doch sie ernteten von den überheblichen Göttern nur Spott und Verachtung.^1
Richard Wagner: Das Rheingold. 4. Szene, 4. u. 5. Teil (Schluss der Oper)
Wotan: George London
Donner: Eberhard Wächter
Froh: Waldemar Kmentt
Loge: Set Svanholm
Alberich: Gustav Neidlinger
Mime: Paul Kuen
Fasolt: Walter Kreppel
Fafner: Kurt Böhme
Fricka: Kirsten Flagstad
Freia: Claire Watson
Erda: Jean Madeira
Woglinde: Oda Balsborg
Wellgunde: Hetty Plümacher
Flosshilde: Ira Malaniuk
Wiener Philharmoniker, Dirigent: Georg Solti: youtube.com/watch?v=xAmHlZ1PnSM
^1 Personen und Handlung sind frei erfunden und etwaige Ähnlichkeiten mit auf Dächern der Finanzmetropolen tanzenden Bankiers, dem aktuellen Turbokapitalismus, der modernen Egomania samt Ausbeutung, Unterdrückung, Bevormundung und Finanzblasen, religiösem Wahn und einem nicht zu bändigenden Destruktionstrieb in einer Kultur der fortgeschrittenen Dekadenz wären rein zufällig.
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23.07.2016 13:17 |
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Richard Wagner: Die Walküre. 1. Aufzug, 3. Szene.
Siegmund: [...]
Winterstürme wichen
dem Wonnemond,
in mildem Lichte leuchtet der Lenz;
auf linden Lüften leicht und lieblich,
Wunder webend er sich wiegt;
durch Wald und Auen weht sein Atem,
weit geöffnet lacht sein Aug’: -
aus sel’ger Vöglein Sange süß er tönt,
holde Düfte haucht er aus;
seinem warmen Blut entblühen wonnige Blumen,
Keim und Sproß entspringt seiner Kraft.
[...]
Nachdem die Sonne im "Rheingold" (Vorabend) untergegangen war, brach mit der "Walküre" der "erste Tag" an. Aus dem Inzest zwischen Siegmund und seiner mit Hunding verheirateten Zwillingsschwester Sieglinde ging Siegfried hervor, dafür sorgte Brünnhilde entgegen dem Willen ihres Vaters Wotan, der sich seinen Gesetzen und Moralvorstellungen verpflichtet fühlte. Am "nächsten Tag" (in "Siegfried") wurden Siegfried und seine eine Generation ältere Tante Brünnhilde ein Liebespaar.
Das von Siegmund aus dem Eschenstamm gezogene Schwert Nothung (in der germanischen Mythologie aus dem Stamm eines Apfelbaums) - nur der, für den es bestimmt ist, kann es herausziehen - ist als Phallussymbol unverkennbar.
Peter Hofmann als Siegmund in der Inszenierung von Patrice Chéreau
1965 entstand in den Wiener Sofiensälen eine exemplarische Einspielung der "Walküre" mit James King als Siegmund und Régine Crespin als Sieglinde mit den Wiener Philharmonikern unter Georg Solti - hier 1. Aufzug, 3. Szene (etwas gekürzt): youtube.com/watch?v=uclbBgG0lMQ
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30.07.2016 14:00 |
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