myself
Dozent/in+
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Es heißt ja immer
Ceterum censeo Carthaginem esse delendam.
heiße
Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Carthago zerstört werden muss.
Wäre eigentlich
Das übrige abschätzend, Karthago ist zu zerstören.
eigentlich "richtiger" als die übliche Übersetzung?
__________________ "Ich wünsche mir eine Welt in der ich Wasser aus dem Klo trinken kann ohne krank zu werden" - Lt. Frank Drebin-
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08.04.2010 04:26 |
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atlana
Weiser/Weise
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eine grundlage jeglicher übersetzungstätigkeit ist, nicht die form, sondern den inhalt wiederzugeben. in diesem fall trifft die herkömmliche übersetzung den inhalt, und hört sich obendrein auch noch eleganter an.
ceterum hat in diesem fall eine adverbiale bedeutung. es heißt übrigens oder außerdem. nachklassisch wird dasselbe wort auch zu einem allgemeinen füllsel (aber, doch, gleichwohl, sondern etc), da verselbstständigt sich das adverb sozusagen
dazu kommt im lateinischen noch die lustige angewohnheit, praktisch jedem wort mehrere bedeutungen beizumessen, die sich aus dem zusammenhang ergeben.
censeo kann vieles bedeuten:
von amts wegen das vermögen einschätzen, zählen (bes. von personen), sein eigenes vermögen angeben, sich selbst einschätzen, eine sache abschätzen – und in kombination gibt es jede menge phrasen, die sich auch auf das bedeutungsfeld zählen/schätzen beziehen.
aaaaber es gibt in völliger "gleichberechtigung" zum zählen/schätzen noch weitere begriffsfelder, allen voran meinen, dafürhalten. das ist genauso richtig wie das abschätzen. so ähnlich, wie lego ich wähle oder ich lese bedeuten kann.
und um die verwirrung perfekt zu machen, kann censeo auch heißen "amtlich beschließen". dazu gehören auch bedeutungen wie "abstimmen, beantragen, per senatsbeschluß zuerkennen".
es gibt keine hierarchie in der bedeutung. "abschätzen" ist insofern nicht richtiger als "meinen".
ich nehme an, daß die verwendung von censeo anstatt eines anderes wortes, das meinen bedeutet, sehr wohl beabsichtigt war. ein römer hört gewiß die nuancen heraus und weiß, daß es der gute cato a) für eine politische notwendigkeit hält, die angelegenheit des senates ist und b) unterstreichen will, wie präzise man dabei vorzugehen habe. er will karthago sozusagen beamtshandelt wissen.
hätte er ein neutraleres wort gewählt zb credo, hätte es sich leichter als privatmeinung abtun lassen, aber so wollte er an das pflichtgefühl des senats appellieren. das ist zumindest meine meinung.
__________________ ubi dubium ibi libertas
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08.04.2010 10:37 |
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wolfi
Doktor/rix*
Dabei seit: 30.04.2007
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Zitat: |
Original von myself
Das übrige abschätzend, Karthago ist zu zerstören.
eigentlich "richtiger" als die übliche Übersetzung? |
Grammatik ist Deine Sache nicht, oder?
carthaginem esse delendam ist ein AcI (accusativus cum infinitivo) und somit das Objekt des Satzes
ceterum könnte, würde es nicht als Adverb gebraucht, somit nur als Subjekt dienen.
Da aber censeo 1. Person ist, schließt sich das aus.
Im übrigen ist censeo Indikativ und kein Gerundium.
noch ein weiteres: wenn man es wortwörtlich übersetzen wollte, müßte man "carthaginem esse delendam" so übersetzen: Karthago ist eine zu zerstörende. (wenn man natürlich außer Acht läßt, dass esse ein Infinitiv ist)
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08.04.2010 15:04 |
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Roland
Bakkalaureus
Dabei seit: 05.05.2008
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Zitat: |
Original von wolfi
Im übrigen ist censeo Indikativ und kein Gerundium. |
Wenn man ein Partizip nicht von einem Gerund unterscheiden kann, sollte man vielleicht anderen nicht unbedingt Grammatikschwäche vorwerfen - ganz abgesehen davon, dass Indikativ und Gerund hübsche Gegensätze wären.
Die Arbeitsübersetzung des Zitats lautet ohne Zweifel: "Übrigens meine ich Karthago eine zu zerstörende zu sein."
Wie man dieses holperige, aber semantisch klar verständliche Deutsch in eine moderne Interpretation fasst, darüber kann man streiten. Mein Favorit wäre: "Im übrigen bin ich der Meinung, dass kein Weg an der Zerstörung Karthagos vorbeiführt."
__________________ Der abrahamitische Gott ist eine kranke Männerfantasie.
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08.04.2010 21:35 |
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wolfi
Doktor/rix*
Dabei seit: 30.04.2007
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Zitat: |
Original von Roland
Zitat: |
Original von wolfi
Im übrigen ist censeo Indikativ und kein Gerundium. |
Wenn man ein Partizip nicht von einem Gerund unterscheiden kann" |
der originalsatz lautet : "das übrige abschätzend", was ich für ein Gerund hielt, danke, dass Du mir die Augen geöffnet hast, ich werde obiges ("das übrige abschätzend") also fürderhin als partizip bezeichnen
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09.04.2010 19:47 |
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Qwert
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Diese Umschreibung hast Du ja auf Deutsch auch:
»Das Finanzamt meint, die festgesetzte Abgabe sei zu entrichten....«
Wobei "sei" noch beeinspruchbar ist, also eine Vorstufe zum ultimaten "muss".
Wenn das freilich eine "letzte Instanz" wie Feldherr, Diktator etc. ausspricht, heißt das gewöhnlich, er erheischt die generelle Zustimmung.
__________________ Besser ein hoher IQ-Wert als ein hoher Promille-Wert
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08.04.2010 15:10 |
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myself
Dozent/in+
Dabei seit: 04.07.2007
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Herkunft: von Daheim
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Tja, da denkt man, bzw. man bekommt es immer erzählt, Latein sei eine logisch aufgebaute Sprache, nach den ganzen Möglichkeiten des Satzbaus bin ich nun wieder sehr entmutigt.
Ich hoffe dass ich eines Tages, nach all den Lernprogrammen und Lehrbüchern, wenigstens das Zeug das Caesar geschrieben hat flüssig runter bekomme.
Besonders den einen, bereits erwähnten, Text über die gelenklosen Hirsche in Gallien.
__________________ "Ich wünsche mir eine Welt in der ich Wasser aus dem Klo trinken kann ohne krank zu werden" - Lt. Frank Drebin-
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10.04.2010 01:33 |
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atlana
Weiser/Weise
Dabei seit: 15.07.2008
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soweit ich weiß, ist das kapitel mit den gelenklosen elchen, die sich zum schlafen an bäume lehnen müssen, nicht von caesar selbst, sondern eine einfügung. allerdings hat das meine lateinlehrerin behauptet, der ich eine pia fraus zu caesars ehren sofort zutrauen würde
__________________ ubi dubium ibi libertas
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10.04.2010 08:54 |
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