Skeptiker
Professor/in+
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Herkunft: Wen interessiert´s?
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Seit ein paar tagen kiefle ich an einem Artikel im Standard. Fundamentalismus ist demnach kein Ergebnis von Autorität, Gruppendruck und "Gehirnwäsche", sondern die Fundamentalisten suchen vielmehr gemäß ihrer Persönlichkeit nach Orientierung.
Zitat: |
Die Vertreter radikalerer Gläubigkeit "holen sich aus der Religion das heraus, was zu ihrem Persönlichkeitsprofil passt", sagt Susanne Heine vom Institut für Praktische Theologie und Religionspsychologie der Uni Wien.
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Das machen die liberalen Gläubigen auch. Es stimmt aber vielmehr stimmt der radikale Ansatz, als der liberale. Aussagen müssen oft lange interpretiert werden bis sie liberal und friedfertig klingen. Bei fundamentalistischer Auslegung müssen viel weniger geistige Verrenkungen gemacht werden.
Beispiel: "Ich bin nicht gekommen den Frieden zu bringen, sondern das Schwert..." Die kriegerische Aussage muss da nicht lange gesucht werden. Dass das Schwert als Wort Gottes zu verstehen ist, haben die Christen selbst über lange Zeit nicht so verstanden, wenn man deren lange und intensive Kriminalgeschichte anschaut.
Die Studie geht m. E. fälschlicherweise davon aus, dass die Fundamentalisten sich erst etwas herauslesen müssen, was nicht drinnen wäre in den religiösen Büchern. Ich sehe da weniger den Wunsch nach Orientierung, sondern das Bedürfnis nach Wahrheit und Logik. In Verbindung mit den menschenverachtenden Texten wird das eben brutal.
Zitat: |
Persönlichkeitsprofile
Wie Menschen dazu kommen, sich terroristischen Gruppen anzuschließen oder in die Richtung religiöser Gewalt zu gehen, wird in der Religionspsychologie etwa über Persönlichkeitsprofile erhoben. Ein geringes Selbstwertgefühl wie auch geringe Empathie-Fähigkeit zählen zu den Aspekten, die einen religiösen Fundamentalisten ausmachen. Die eigene psychische Befindlichkeit sei häufig schon vom Elternhaus her vernachlässigt worden. Das "stumme Aufwachsen", so die für die Konferenz verantwortliche Institutsvorständin, müsse aber "nicht totale Verwahrlosung" heißen. "Viele der terroristisch motivierten Leute kommen aus von außen besehen guten Familien und gutbürgerlichem Haus", so Heine.
Häufig ergebe sich aus der Vernachlässigung der Empathie eine gewisse Distanz zu den Eltern. Aus dem heraus entwickelten die religiösen Fundamentalisten schon als Kind eine Strategie. Die Kinder bezögen alles, was es an Zurückweisung von den Eltern wahrnimmt, auf sich und suche die Schuld bei sich, "um das gute Image der Eltern aufrecht zu erhalten und sich weiterhin zu ihnen in Beziehung setzen zu können". |
Das klingt ganz nach Freud. Das hat er im Wesentlichen über alle Religiösen gesagt und Religion als Neurose bezeichnet. Obwohl seine Erklärungen irgendwie immer etwas eigenartig klingen.
Zitat: |
"Starke Schwarz-Weiß-Malerei"
Wenn Orientierungssuche und ein bestimmtes Persönlichkeitsprofil zusammenfinden, "suchen Menschen sich (aus der Religion, Anm.) all das heraus, was in die Richtung einer strengen Unterscheidung von Licht und Finsternis geht", zeigten sie eine "starke Schwarz-Weiß-Malerei" und verfolgten apokalyptische Weltansichten, so Heine. |
Na, da brauchen sie in dem Texten ja nicht lange suchen. Eine differenzierte Haltung habe ich in der Bibel nicht gefunden.
Zitat: |
Fundamentalistische Geisteshaltung ist, so Heine, eine "sehr moderne Erscheinung". Ihren Ursprung sieht die Religionspsychologin etwa in fortschreitenden Säkularisierungsprozessen, der Globalisierung und zunehmenden Mischung verschiedener Ethnien. Für Heine wäre es wünschenswert, wenn die Religionspsychologie mehr einbezogen werde in Strategien gegenüber religiösem Fundamentalismus. Vor allem wären die Religionsgemeinschaften "gut beraten, wenn sie sich diese Phänomene näher anschauen". |
Ich stelle mir jetzt ein fiktives Interview vor: "Herr Torquemada, was ist ihre meinung dazu, dass religiöser Fundamentalismus eine 'sehr moderne Erscheinung' wäre?" [...] "und was ist ihre Herr Kreuzfahrer?"
So ein Bullshit. Terrorismus ist eine moderne Erscheinung. Früher wurde halt der Krieg bevorzugt. Aber die Geisteshaltung ist dieselbe.
Warum sollte man Religionspsychologie mehr einbeziehen in Stratgien gegenüber religiösem Fundamentalismus? Dazu müssten ja therapeutische Ansätze vorhanden sein. Das erkenne ich aus dem Artikel jedoch nicht. Außerdem lassen mich die Verblendungen vermuten, dass liberale Religiöse die Fundamentalisten mit der Wissenschaft überzeugen wollen. Das geht nicht. Sonst gäbe es gar keine Religiösen mehr.
__________________ Zweifel schützt vor Lügen
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25.08.2009 09:48 |
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atlana
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Original von Skeptiker
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Häufig ergebe sich aus der Vernachlässigung der Empathie eine gewisse Distanz zu den Eltern. Aus dem heraus entwickelten die religiösen Fundamentalisten schon als Kind eine Strategie. Die Kinder bezögen alles, was es an Zurückweisung von den Eltern wahrnimmt, auf sich und suche die Schuld bei sich, "um das gute Image der Eltern aufrecht zu erhalten und sich weiterhin zu ihnen in Beziehung setzen zu können". |
Das klingt ganz nach Freud. Das hat er im Wesentlichen über alle Religiösen gesagt und Religion als Neurose bezeichnet. Obwohl seine Erklärungen irgendwie immer etwas eigenartig klingen.
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kein wunder, freuds grundlagen sind auch völlig unwissenschaftlich. empfehle dazu dringend die bücher von j. m. masson.
Zitat: |
Original von SkeptikerTerrorismus ist eine moderne Erscheinung. Früher wurde halt der Krieg bevorzugt. Aber die Geisteshaltung ist dieselbe. |
da sind wir uns weitgehend einig - früher war fundamentalismus eben mainstream. und wenn man terrorismus etwas weiter faßt, findet man ihn bei den hashishim der kreuzzugszeit genauso wie bei den marodierenden mönchen des frühchristentums. oder wie nennt man das, wenn man personen gezielt ermordet aus religiösen gründen, oft unter verachtung des eigenen lebens und der eigenen sicherheit?
__________________ ubi dubium ibi libertas
The past is a foreign country; they do things differently there. (L. P. Hartley)
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25.08.2009 10:49 |
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wgroiss
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Original von Skeptiker
Seit ein paar tagen kiefle ich an einem Artikel im Standard. Fundamentalismus ist demnach kein Ergebnis von Autorität, Gruppendruck und "Gehirnwäsche", sondern die Fundamentalisten suchen vielmehr gemäß ihrer Persönlichkeit nach Orientierung. |
Da würde ich mich nicht allzuviel quälen. Es gibt so oft psychologische Deutungsversuche bei denen man sich an den Kopf greift.
Terrorismus ist keine moderne Form des Kriegs. Es wird ja weiterhin fleissig Krieg geführt, so ca. 50 Kriege sind aktuell auf der Welt aktiv. Wenn man in Wikipedia unter Krieg nachsieht, findet man irgendwo eine Auftstellung der Kriege nach Jahreszahlen aufgelistet. In den letzten 150 Jahren gab es noch nie ein Jahr ohne Krieg auf der Welt.
Terrorismus als Verteidigungsmethode ist definiert in Mao's "Theorie des Guerillakampfes". Terrorismus als Angriffsmethode dürfte tatsächlich relativ neu sein. Ich meine, als "Erfinder" dieser Methode die Israelis ausgemacht zu haben. Sie haben ja damit die Engländer aus Israel "weggesprengt". Aus religiösen Gründen? Die sind doch nur vorgeschoben. Laut ihrer heiligen Schrift dürften ja auch die Moslems nichts gegen Christen und Juden haben. Das sind doch Anhänger der tolerierten Buchreligionen. Wenn es gegen die Ungläubigen gehen soll, müssten die fundamentalistischen Moslems doch eher gegen die Chinesen und Inder vorgehen.
Ich denke, der Konflikt liegt hier tiefer. Die "nomadischen" Völker hielten schon immer die "sesshaften" Völker für eine menschliche Fehlentwicklung. Ein mongolischer Herrscher wollte ja gleich alle Stadtbewohner ausrotten. Und in der Tat muss es einem Nomaden pervers vorkommen, in welchem Ausmass die Sesshaften zunehmend die Welt zubetonieren und die Natur zerstören. Diese Verwüstung unserer Lebensgrundlagen aufzuhalten ist meiner Meinung nach die tatsächliche Triebfeder der meist jugendlichen Terroristen. Na und irgendeine Ideologie lässt sich schon irgendwo herauslesen, notfalls auch aus Grimms Märchen...
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25.08.2009 19:52 |
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atlana
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Original von wgroiss
[quote]Original von Skeptiker
Die "nomadischen" Völker hielten schon immer die "sesshaften" Völker für eine menschliche Fehlentwicklung. |
umgekehrt aber auch...
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25.08.2009 20:02 |
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wgroiss
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Stimmt, nur die Nomaden meinen, sie seien früher da gewesen.
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25.08.2009 20:34 |
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atlana
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prinzipiell geschichtlich gesehen stimmt das ja, aber es ist nicht in jeder region zwangsläufig so, denke ich.
aber natürlich ist das argument "aber früher war es immer schon so und deshalb muß es immer noch so sein" nicht das beste.
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25.08.2009 20:58 |
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