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Zum Ende der Seite springen Nächstenliebe und Alltag
Beiträge zu diesem Thema Autor Datum
 Nächstenliebe und Alltag Skeptiker 17.07.2009 14:37
 RE: Nächstenliebe und Alltag wgroiss 18.07.2009 11:34

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Skeptiker Skeptiker ist männlich
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Dieser kurze Auszug aus meinem Leben zeigt, wie sich die Christliche Nächstenliebe in meinem Alltag auswirkte:

Geboren und aufgewachsen bin ich im schönen Ausseerland als 7. von 7 Kindern. Die Eltern gehörten dem kommunistischen Formenkreis an. Dass bei einer solchen Konstellation die Taufe ins Wasser fiel, war klar. Unerrettet wie ich war, bekam ich auch noch die geballte Ladung unreligiöser Erziehung mit.

Zu Weihnachten wurde zwar beschenkt, aber mir war es unangenehm, da ich ja wusste, dass man sich gegenseitig beschenkte und kein Christkinderl kam. Ich wollte die Geschenke erwidern, konnte es aber nicht, da ich ja kein Geld hatte. Auch mit dem Begriff Christkind konnte ich nicht viel anfangen. Hätte ich allerdings damals gewusst, dass damit dieses Jesuskindlein gemeint war, hätte ich mich schon damals darüber zerkugelt.

Dass es keine Seele gibt wurde mir auch schon sehr früh erklärt. Da alles aus Materie besteht und auch die Menschen nichts anderes sind als Materieansammlungen, müssten Autos ebenfalls eine Seele haben. Dass eine solche religiöse Vorstellung Blöderie ist, war mir damals sofort bewusst. Obwohl dieses Argument primitiv ist, hat sich daran nichts geändert. Heute kann ich es wesentlich tiefsinniger untermauern und diplomatischer verkünden.

Bevor ich überhaupt wusste, was christliche Nächstenliebe sein soll, erfuhr ich die geballte christliche Praxis am eigenen Leib. In der Schule wurde ich extrem benachteiligt. Da hat den Lehrern wohl geärgert, dass ich nicht heuchelnd mitgebetet habe, ja sogar während des Gebets die Klasse verließ. Die christliche Art der Lehrer hat sich dann auch in den Noten ausgewirkt. Eine Legasthenie hat ihr zusätzliches Scherflein beigetragen. In der Volksschule hatte ich so schlechte Noten, dass die Lehrer mich in eine Sonderschule schicken wollten. Beim Aufnahmetest, war ich jedoch so gut, dass sie mich wieder zurücknehmen mussten. Wer kann das schon von sich behaupten: Beim Aufnahmetest in der Sonderschule durchgefallen!

Zu Lachen hatte ich trotzdem nicht viel. Mit drei Genügend hatte ich wohl eines der schlechtesten Abschlusszeugnisse in der Volksschule. Natürlich kam ich in der Hauptschule in den 2. Klassenzug, der damals keinen Englischunterricht hatte. Doch anscheinend hat mich während dieses Sommers die Erleuchtung ergriffen oder vielleicht alle Musen geküsst. Jedenfalls stiegen meine Noten um durchschnittlich 2. Plötzlich hatte ich keine schlechten Noten mehr. Die Diskriminierung war zwar noch nicht zu Ende, aber sie wurde seltener, dies war der Grund für diesen Anstieg der Leistungen. Von diesem Niveau stieg ich auch nicht mehr herab.

Als in der 3. Hauptschule ein neuer Klassenvorstand kam, machte er den Vorschlag, dass ich bei diesen Noten die Matura machen könne. Ich müsste nur den Klassenzug wechseln und 2½ Jahre Englisch nachlernen. Mit dem Ziel Chemiker zu werden, willigte ich ein. Nun begann der Marsch durch das Tal der Tränen. Englisch wurde mein verhasstestes Fach. Und doch schaffte ich das schier unmögliche: Schon die 2. Schularbeit war ein Genügend.

Trotzdem wollte man von Seiten der Schule, dass ich einen Test mache, ob ich im ersten Klassenzug bleiben dürfe. So wurde es zu Beginn dieses einmaligen Schulversuches vereinbart. Diesen Test bestand ich nicht. Nun war guter Rat teuer. Einerseits hatte ich der Vereinbarung nicht entsprochen, andererseits hatte ich eine positive Note aufzuweisen und war auch in den anderen Fächern weiterhin gut. Also beschloss man den Test nicht zu werten und den Schulversuch als gelungen zu deklarieren. Ich bedankte mich und schrieb auf die nächste Schularbeit einen Fünfer, was im Halbjahreszeugnis auch die gleiche Note brachte. Doch nun schrieb ich die zwei besten Schularbeiten der Englischgruppe und konnte sogar ein Befriedigend im Zeugnis erreichen. Dies war der erste Sieg über jene, die mich in die Sonderschule verfrachten wollten.

Im BORG Bad Aussee änderte sich die Art der Diskriminierung radikal. Ich wurde nicht mehr wegen des Glaubens meiner Eltern diskriminiert sondern wegen deren politischer Einstellung. Von nun an hatte ich ca. 3 bis 5 Nazis in der Klasse. Dies war nicht nur unangenehm, sondern zeitweilig sogar gefährlich. Alkohol plus Faschismus ist auch in unserer Zeit eine brisante Mischung. Einer meiner Mitschüler – Günther Reinthaler – wurde später wegen Wiederbetätigung zu einer mehrjährigen unbedingten Haftstrafe verurteilt. Er war Gauleiter von Oberösterreich und Salzburg in der Küsseltruppe. Einige andere Mitschüler waren ebenfalls auf der Versandliste von Küssel zu finden.

In so einer Atmosphäre lernt man zunächst, dass viele zuschauen ohne etwas zu tun. 10 % der Menschen reichen aus, um 90 % nicht nur in Schach zu halten, sondern um sie mitzuziehen. Weiters wurde ich sensibilisiert auf verbale Angriffe. Nie verfolgte Christen spielen das Kriegsgeschrei eines Jesus gerne herunter oder interpretieren es um. Wer gelernt hat, dass die Sicherheit der Wand im Rücken trügerisch ist, da man nicht fliehen kann, der wird derartige Ausflüchte nie gelten lassen.

Ich maturierte mit gutem Erfolg. Dies war mein 2. Sieg über diejenigen, die mich in die Sonderschule verfrachten wollten.

In dieser Zeit schloss ich mit der Kirche einen Friedensvertrag, von dem sie allerdings nichts wusste. „Wenn die Kirche mich in Ruhe lässt, lasse ich sie auch in Ruhe.“ Dies war mein Motto bis zum 26. Lebensjahr.

Doch dann wurde ich aus meiner Glasmenagerie herausgerissen. Schon Jahre vorher wurde mir empfohlen, „Der Pfaffenspiegel“ von Otto von Corvin zu lesen. Jedes Mal, wenn ich zuvor anfing, legte ich das Buch wieder weg, da es langweilig war. Doch nun schlug ich in der Mitte die Geschichte der Päpste auf und las über deren Weg Christentum zu leben. Ich war empört und nun las ich das gesamte Buch. Ich war noch empörter.

Aber in meiner Rechtsauffassung sollte jeder Verbrecher nicht nach ferner Vergangenheit beurteilt werden, sondern danach wie er sich in letzter Zeit benahm. Also las ich Literatur über die Verbrechen der Kirche 1870. Nun war für mich klar, dass der Friedensvertrag Naivität war.

Zorn einerseits und Hilflosigkeit andererseits baute sich in mir auf. Überall gab es christliche Veranstaltungen. Mit niemand konnte man darüber diskutieren. Alle behaupteten Christen sind ja sooo gut. Mit solch einem Frust im Bauch sah ich auf der Uni ein Plakat mit der Aufschrift „Kriminalgeschichte des Christentums“. Eilenden Schrittes ging ich vorüber und dachte: „Wieder so eine christliche Veranstaltung“. Nach ca. 10 Schritten traf es mich wie ein Blitz. Kriminalgeschichte! Die Veranstaltung war wohl nicht das, wofür ich sie zuvor hielt. Diese Veranstaltung brachte mich zu den Atheisten.

Bald war ich regelmäßig bei den Treffen und nach kurzer Zeit erschien mein erster Artikel über einen Artikel von Paul Davies, welcher Gott in der Naturwissenschaft zu finden glaubte. Es dauerte auch nicht lange, da wurde ich als Vorstandsmitglied kooptiert.

1994 schloss ich mein Chemiestudium ab. Ich fand sofort Arbeit. Dies war mein 3. Sieg über jene die mich in die Sonderschule stecken wollten. Einen größeren Unterschied kann man sich wohl kaum mehr vorstellen. Der eine Weg vorgesehen von Christen: Sonderschüler – und dann? Der andere Weg: Chemiker mit Universitätsabschluss.
Wanderjahre
Bis Mitte der 90er Jahre las ich vornehmlich antireligiöse, kirchengeschichtliche und naturwissenschaftliche Werke. Dann erkannte ich die Wichtigkeit der Evolutionstheorie und las mich darin eingehend ein. Danach beeinflussten mich vor allem 2 Menschen. Meine Frau zeigte mir, viel über die Psychologie der Kinder. Dadurch wurde dann allgemein mein Interesse an Psychologie gesteigert. Als ich 1998 nach Tirol übersiedelte, traf ich Jörg Waldhauser, der mir zeigte, dass es jenseits der Naturwissenschaft auch noch Philosophie gibt, welche man studieren sollte. Und er brachte mich dazu, mein zuvor rein kaltes naturwissenschaftliches Weltbild menschlicher und damit wärmer zu definieren.

Dieser Auszug aus meinem Leben soll zeigen, dass ich Antireligiosität nicht als Kopfspielerei sehe, sondern als notwendigen Beitrag zu einer freien Welt. Ich werde mich nie von gemäßigten Christen in der Art einfangen lassen, dass es nur einige scharze Schafe gäbe und die Mehrzahl gut wäre. Dazu habe ich schon zu viel am eigenen Leib gespürt. So halte ich es eher mit Nietzsche, der über Priester gemeint hat: „Giftmischer sind sie, ob sie es wissen oder nicht.“

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Zweifel schützt vor Lügen
17.07.2009 14:37 Offline | EMail | suchen | Freundesliste | Portal
wgroiss wgroiss ist männlich
Dozent/in


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Dabei seit: 24.07.2008
Beiträge: 833
Herkunft: Österreich

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Nächstenliebe halte ich schon für eine Art von Religiosität. Da steckt doch Ehrfurcht vor dem Leben und der Natur dahinter.

Kirchen haben mit Nächstenliebe natürlich nichts zu tun, eher das Gegenteil: Immerhin hat man im Namen der katholischen Kirche mindest 30 Millionen Menschen umgebracht. Die christliche Nächstenliebe beschränkte sich dabei auf die Zwangstaufen vor dem Ermorden.

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Religiöser Wahn ist eine psychische Krankheit die zum Tode führen kann.
18.07.2009 11:34 Offline | EMail | suchen | Freundesliste | Portal
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