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Zum Ende der Seite springen NS-Medizin in Österreich: Bruch oder Kontinuitäten?
Beiträge zu diesem Thema Autor Datum
 NS-Medizin in Österreich: Bruch oder Kontinuitäten? Mark 10.09.2008 21:50
 GEWALT in der Psychiatrie – HEUTE Mark 11.09.2008 03:24
 Eugenik Euthanasie Mark Einstein-Penna 12.09.2008 02:45
 Zusammenarbeit von (AnruferIn), Polizei und Krankenhaus... LibrePenseur 13.09.2009 22:07
 Die Vernichtung "lebensunwerten" Lebens - Rassenhygiene und Euthanasie in der NS-Zeit NekolikVedec 31.10.2009 20:11

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Mark Mark ist männlich
Student/in


Dabei seit: 31.07.2008
Beiträge: 94

arschkarte NS-Medizin in Österreich: Bruch oder Kontinuitäten? antworten | zitieren | ändern | melden       TOP

...vorher: Aktion T 4
http://de.wikipedia.org/wiki/Aktion_T4
http://en.wikipedia.org/wiki/Action_T4





Wolfgang Neugebauer

NS-Medizin in Österreich: Bruch oder Kontinuitäten?

Der nachstehende Beitrag wurde bei einem im März 2001 an der Universität Wien
abgehaltenen Symposium über "Hochschulen und Wissenschaften im
Nationalsozialismus und danach" gehalten und wird in der Zeitschrift Clinicum
veröffentlicht.

Es bedarf wohl keiner längeren Begründung, um festzustellen, dass gerade in diesem
Wissenschafts- und Berufszweig mehr als in jedem anderen Fach 1938 ein tiefer, nicht
mehr überwundener oder überhaupt zu überwindender Bruch erfolgte. Durch
Vertreibung bzw. Ermordung gingen Tausende jüdische Universitätslehrer, Ärztinnen
und Ärzte und Studierende der österreichischen Medizin unwiederbringlich verloren.
Stellvertretend für die vielen Opfer des Holocaust sei an dieser Stelle an die Wiener
Psychoanalytikerin und Ärztin im Jüdischen Spital Dr. Margarethe Hilferding erinnert, die
1942 in Treblinka ermordet wurde. Durch diese gewaltsame Zäsur wurde nicht nur in
die Biographien der einzelnen Menschen in dramatischer Weise eingegriffen, sondern
wurden ganze Schulen und Entwicklungsstränge von Forschung und Lehre vernichtet
bzw. in andere Länder transferiert.

Als zweiter wesentlicher Faktor ist die Nazifizierung der österreichischen Medizin nach
1938 anzuführen, die an starke deutschnationale und nationalsozialistische Traditionen
schon vor 1938 anknüpfte. Meines Erachtens kann man in diesem Zusammenhang nicht
von Missbrauch, Instrumentalisierung oder bloßer Nutznießung der Wissenschaftler
sprechen; vielmehr handelte es sich um einen komplexen Wechselwirkungsprozess
zwischen politischer und wissenschaftlicher Sphäre. Im Bereich Rassenhygiene,
Eugenik, Psychiatrie und Anthropologie waren Wissenschaftler die Ideologen,
Inspiratoren und Impulsgeber verbrecherischer politischer Maßnahmen.

Die Nazifizierung erfolgte einerseits durch die Integration und Dominanz von NS- und
SS-Ärzten in den medizinischen Fakultäten und im staatlichen und kommunalen
Gesundheitssystem, andererseits durch die grundlegende Umgestaltung der Medizin im
Sinne der rassenhygienischen Lehren des Nationalsozialismus. Es genügt auf die
Eröffnungsrede des kommissarischen Dekans der Wiener medizinischen Fakultät Prof.
Eduard Pernkopf im April 1938 hinzuweisen - die Ankündigung eines
nationalsozialistischen Umgestaltungsprogramms, das mittels Änderung der Lehrpläne
und -inhalte, Personalpolitik und Errichtung von Lehrkanzeln für Erb- und Rassenkunde
konsequent in die Wirklichkeit umgesetzt wurde. Die in den Jahren 1938-1945 erfolgte
Indoktrinierung der ausgebildeten Ärzte und Ärztinnen im Sinne nationalsozialistischer
Vorstellungen von "Volksgesundheit" und "Rassenhygiene" sollte in ihrer nachhaltigen
Auswirkung nach 1945 nicht unterschätzt werden.

Die Befreiung 1945 führte in der österreichischen Medizin nur zu einem
vorübergehenden Bruch, der durch die nachfolgende Entwicklung weitgehend gekittet
wurde, so dass die Elemente der Kontinuität überwiegen. Durch die
bürokratisch-halbherzig durchgeführte Entnazifizierung verloren zwar 1945-1948 nicht
wenige NS-Ärzte an Universitäten und im Gesundheitswesen ihre Stellen, und einige
wenige exponierte Täter wurden gerichtlich abgeurteilt. Doch im Zuge des Kalten
Krieges und des Konkurrenzkampfes der politischen Parteien um die ehemaligen Nazis
wurde die Entnazifizierung gemildert, beendet und weitgehend rückgängig gemacht.
Selbst Verantwortliche für die NS-Euthanasie wie Hans Bertha oder Heinrich Gross
konnten ihre kurz unterbrochenen Karrieren im akademischen Leben bzw. in der
Forschung und im kommunalen Gesundheitswesen fortsetzen; Protagonisten der
(akademischen) "Rassenhygiene" wie Friedrich Stumpfl kehrten an die Universität
zurück. Niemand stieß sich an solchen Kollegen; sie wurden problemlos, auch ohne
Bekundung von Reue oder Distanzierung von früherem Verhalten, in der scientific
community, in Spitälern und Ärzteorganisationen akzeptiert. Die Vertriebenen wurden
nicht zurückgerufen, viele hätten wohl auch nur geringe Motivation zur Rückkehr
gehabt. Den wenigen Remigranten oder KZ-Überlebenden wie Hans Hoff oder Victor
Frankl ging es um Integration und nicht um Auseinandersetzung.

Noch gewichtiger scheint mir aber, dass - neben den schon in der NS-Zeit Arrivierten
bzw. in verbrecherische Handlungen oder Gedankengut Verstrickten - junge, nicht
belastete, nationalsozialistisch organisierte, orientierte oder zumindest beeinflusste
belastete, nationalsozialistisch organisierte, orientierte oder zumindest beeinflusste
Ärzte in das Gesundheitswesen und in die medizinischen Fakultäten kamen. Vielfach
erfolgte nur eine formale, oberflächliche Abkehr vom Nationalsozialismus und keine
wirkliche Überwindung von tiefwurzelndem Gedankengut und Verhaltensweisen. Michael
Hubenstorf spricht von diskreter geistiger Fortsetzung der NS-Psychiatrie.
Nachvollziehbar ist dies etwa am Wiener Universitätsinstitut für Neurologie, wo unter
der Schirmherrschaft des versöhnlichen jüdischen Remigranten Hans Hoff von
Mitarbeitern, darunter ein späterer Dekan und Rektor, die vom Euthanasiearzt Dr.
Gross in den 50-er und 60-er Jahren gelieferten Präparate von Opfern der
Kindereuthanasie wissenschaftlich ausgewertet wurden und - damit verbunden -
"Sippenforschung" betrieben wurde. Über diese Entwicklung, personelle Verflechtungen
und Praktiken wissen wir im Übrigen viel zu wenig.

Im Nachkriegsösterreich gab es bis Ende der 70-er Jahre weder eine öffentliche
Auseinandersetzung noch eine wissenschaftliche Beschäftigung mit der NS-Medizin und
deren verbrecherischen Aspekten. Die politisch-gesellschaftliche Dominanz der durch
Faschismus und Kriegsteilnahme geprägten Generation erstreckte sich auch auf den
wissenschaftlichen Bereich: Die österreichische Medizingeschichte war das Spiegelbild
einer von in der NS-Zeit tätigen oder ausgebildeten Ärzten dominierten Medizin, die
naturgemäß kein Interesse an einer historischen Aufarbeitung hatte. Weder die Spitäler,
Anstalten und Ärzteorganisationen noch die medizinischen Fakultäten und die dazu
berufenen Lehrkanzeln und Institute für Geschichte der Medizin lieferten auch nur den
geringsten Beitrag. Ein Musterbeispiel für diesen Umgang mit der Vergangenheit ist der
von namhaften Medizinern herausgegebene Bildband zur Geschichte der Psychiatrie in
Wien, in dem apologetisch die Verdienste der Wiener Medizin unter missbräuchlicher
Instrumentalisierung der Vertriebenen und unter Aussparung der NS-Medizinverbrechen
und -Verbrecher gefeiert werden.

Als um 1980 durch die Kontroverse Dr. Heinrich Gross gegen Dr. Werner Vogt erstmals
die Kontinuitäten zur NS-Medizin für eine breite Öffentlichkeit sichtbar wurden, kam die
Solidarität für den juristisch bedrängten Jungarzt nur von Medizinstudenten und anderen
Jungärzten; die etablierten Ärzte und Professoren hielten sich heraus, und die für
Medizin und Justiz Verantwortlichen unterließen es damals, die moralisch und juristisch
gebotenen Konsequenzen zu ziehen. Die Ludwig Boltzmann-Gesellschaft als
Dachorganisation vieler Institute hat bis heute keine selbstkritische Stellungnahme zu
ihrem langjährigen Institutsleiter Dr. Gross abgegeben.

Die in den 80-er und 90-er Jahren einsetzende Aufarbeitung der NS-Medizin in
Österreich, die mit dem Generationswechsel, der schwindenden Größe und Bedeutung
der Kriegsgeneration und mit den heftigen zeitgeschichtlichen Kontroversen in
Österreich (Waldheim) zusammenhing, ging nicht vom Institut für Geschichte der
Medizin aus; Dr. Michael Hubenstorf als wichtigster Forscher auf diesem Gebiet wirkte
in Berlin und ist nun in Toronto tätig, und medizinhistorische Dissertationen über
Steinhof und Spiegelgrund in der NS-Zeit wurden an deutschen Universitäten verfasst.

Änderungen in der Einstellung an der Wiener medizinischen Fakultät wurden im Zuge
der Untersuchungskommission zum Pernkopf-Anatomieatlas sichtbar. Auch hier bedurfte
es zum Zustandekommen eines starken Druckes von außen (Yad Vashem, Prof.
William E. Seidelman u. a.) und einer hartnäckigen Haltung des damaligen Rektors
Prof. Alfred Ebenbauer und des Dekans Prof. Wolfgang Schütz, dass auch die Institute
der medizinischen Fakultät an der Aufhellung ihrer NS-Involvierung und der
Nachkriegsverdrängung mitwirkten und letztlich ein seriöses und fundiertes
Untersuchungsergebnis herauskam. Es ist auch das Verdienst von Dekan Schütz, dass
eine Professur für Geschichte der Medizin mit besonderer Berücksichtigung der
Zeitgeschichte geschaffen und Michael Hubenstorf berufen wurde. Jedenfalls wird nun
die Möglichkeit eröffnet, dass auch an der Wiener medizinischen Fakultät eine kritische
und gründliche Aufarbeitung der NS-Vergangenheit und der damit zusammenhängenden
Nachkriegsentwicklung stattfinden kann und künftige Medizinergenerationen mit den
inhumanen Traditionen und Möglichkeiten ihres Faches konfrontiert werden.


Weitere Informationen zum Thema
Wolfgang Schütz
Vertreibung der Hochschullehrer aus der Medizinischen Fakultät - Betrachtungen aus zeitlicher
Distanz

Gustav Spann
Untersuchungen zur anatomischen Wissenschaft in Wien 1938–1945. Senatsprojekt der
Universität Wien. Eine Zusammenfassung

Herwig Czech
Dr. Heinrich Gross - Die wissenschaftliche Verwertung der NS-Euthanasie in Österreich








Siehe auch:


Nationalsozialismus in Linz, Band 2, S.1025-1040, „Mordanstalten in und bei Linz
10.09.2008 21:50 Offline | EMail | suchen | Freundesliste | Portal
Mark Mark ist männlich
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Dabei seit: 31.07.2008
Beiträge: 94

Themenstarter Thema begonnen von Mark
GEWALT in der Psychiatrie – HEUTE antworten | zitieren | ändern | melden       TOP








Ist das Heilung?

Ist das ein Umgang mit persönlichen Krisen, Problemen?

Dies ist nur ein Ausschnitt der Gewalt (physisch, psychisch, physiologisch: Xenobiotika-Verabreichung), die in der österreichischen Psychiatrie (Linz,...) stattfindet.




Und es gibt wieder!! mind. ein Schloss in Oberösterreich, wo kranke Menschen weggesperrt werden. Und ich meine nicht Hartheim – das ist jetzt ein Museum.
Es werden dort zwar jetzt!? keine Menschen ermordet - es würde mich aber nicht wundern, wenn da medizin.-pharm. Experimente (Studien) gemacht werden, da die PatientInnen in gewisser Weise ausgeliefert sind.
Suizide sind jedenfalls da schon vorgekommen.
11.09.2008 03:24 Offline | EMail | suchen | Freundesliste | Portal
Mark Einstein-Penna Mark Einstein-Penna ist männlich
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Dabei seit: 12.09.2008
Beiträge: 1
Herkunft: Italien, Serbien, Frankreich, Tschechien, Preußen, Ungarn, Deutschland und Israel

Eugenik Euthanasie antworten | zitieren | ändern | melden       TOP

www.youtube.com/watch?v=zW34jVJ4StE
12.09.2008 02:45 Offline | EMail | suchen | Freundesliste | Portal
LibrePenseur LibrePenseur ist männlich
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Zusammenarbeit von (AnruferIn), Polizei und Krankenhaus... antworten | zitieren | ändern | melden       TOP

....sehr bedenklich. Ich kann nur jeder/jedem raten, die/der mit Polizei/Cobra in Psychiatrie (geschlossener Bereich) eingeliefert wird, das gleiche mit dem "Anrufer", der "Anruferin" zu tun.

__________________
"What progress we are making. In the Middle Ages they would have burned me. Now they are content with burning my books." Sigmund Freud
"LET THY FOOD BE THY MEDICINE AND THY MEDICINE BE THY FOOD" Hippokrates
13.09.2009 22:07 Offline | EMail | suchen | Freundesliste | Portal
NekolikVedec
Gymnasiast/in


Dabei seit: 03.06.2008
Beiträge: 39

Die Vernichtung "lebensunwerten" Lebens - Rassenhygiene und Euthanasie in der NS-Zeit antworten | zitieren | ändern | melden       TOP

http://www.doew.at/aktuell/bhw.html
31.10.2009 20:11 Offline | suchen | Freundesliste | Portal
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