Skeptiker
Professor/in+
Dabei seit: 27.09.2007
Beiträge: 1.137
Herkunft: Wen interessiert´s?
|
|
In der Türkei ist endlich ein Schuldspruch in einem Prozess um ein vergewaltigtes Kind getroffen worden. So wie die Taten, ist auch der Schuldspruch ein Skandal. Das Kind sollte angeblich mitschuld an den jahrelang immer wieder stattfindenden Vergewaltigung durch Mitglieder der lokalen Obrigkeit gewesen sein.
Sexueller Missbrauch oder Belästigung gilt in der Türkei noch immer als Kavaliersdelikt. Kavaliersdelikt für die Männer - Tod* für die Frauen. Woher hat diese Gesellschaft ihre Ideale? (rhetorische Frage)
Link
*Tod durch Ehrenmord
__________________ Zweifel schützt vor Lügen
|
|
25.02.2011 02:07 |
Offline |
EMail |
suchen |
Freundesliste |
Portal
|
|
|
landlerin
Forscher/in
Dabei seit: 18.09.2009
Beiträge: 1.471
Herkunft: NÖ
|
|
Wenn man so etwas liest, dann graust einem........weil es die (Über) wertigkeit, oder wie diese Männer auch immer sich sahen, auf Religion und Tradition, aber auch auf ein fürchterliches Mass an überall vorkommender Scheinheiligkeit hinweist........und darauf was ein Kind, in diesem Fall ein weibliches, "wert" ist. Aber es ist vor gar nicht so langer Zeit auch in unseren Landen nicht anders gewesen. Auch da setzten sich manche "Herren" über vieles hinweg, besonders dann wenn das "Mensch" aus Schichten gekommen ist, welche sich nicht zur Wehr setzen konnten. In meiner Familie, besser gesagt, von Vater und Tanten wurde verschämt von einer Tante gesprochen welche mit 18 nach Wien "in den Dienst gekommen ist" und mit 19 gestorben ist. Und die in Wien in einem Armengrab verscharrt wurde......auch da kann man nur vermuten.
Aber wie schaut es auch in unserer angeblich so zivilisierten Welt aus? Da scheint ein Teil eines Landes die Eskapaden ihres Präsidenten augenzwinkernd zu verfolgen, während sich ein anderer Teil protestierend auf die Strasse begibt. Und wetten, dass der feine Herr, wenn er seinen Kollegen im Vatikanstaat besuchen möchte, auch nicht rausgeworfen wird. Die jungen Mädchen aber, und deren Eltern verstehe ich auch nicht......mir würde als gestandene älterer Frau vor dem Cavaliere herzhaft grausen.
landlerin
|
|
25.02.2011 08:17 |
Offline |
EMail |
suchen |
Freundesliste |
Portal
|
|
|
atlana
Weiser/Weise
Dabei seit: 15.07.2008
Beiträge: 3.165
Herkunft: heiliges land
|
|
das ist natürlich ein besonders schrecklicher fall, aber leider ist der gedanke "sie wird’s schon gewollt haben" auch bei uns nicht ausgestorben.
ich lese für gewöhnlich online den standard, und es spielt überhaupt keine rolle, wie die umstände sind, bei meldungen von vergewaltigungen finden sich prinzipiell immer poster, die geifern
a) die vorwürfe seien erfunden
b) die frau wolle sich an dem mann nur rächen (meistens noch garniert mit vermutungen, sie wolle ihm wohl die kinder wegnehmen oder materielle vorteile erlangen, wenn der mutmaßliche täter prominent ist)
c) die frau habe durch irgendetwas die vergewaltigung entweder herausgefordert oder sozusagen inhärent zugestimmt (was manchmal sogar angeführt wird, wenn dem opfer eine waffe an den kopf gehalten wurde)
es gibt nur wenige fälle, die in otto normalverbrauchers weltanschauung offenbar "untadelige vergewaltigungen" sind, zb der fall dieser frau, die von ihrem türkischstämmigen nachbarn in ihrer eigenen wohnung vergewaltigt wurde, nachdem er eingebrochen ist. als der davor in salzburg eine prostituierte vergewaltigt hat, wurde er freigelassen, weil schließlich nur die aussage einer prostituierten zu wenig ist*. zu diesem fall habe ich nur rassistisch getönte bestrafungsforderungen gelesen – da türken eben ein noch niedrigeres sozialprestige besitzen als vergewaltigungsopfer.
ich weiß auch von zwei fällen in meinem sozialen umfeld, die rechtlich ganz unzweifelhaft vergewaltigung waren, eine davon sogar die art, die den menschen noch am einfachsten zu erklären ist (fremder auf der straße). die andere passierte im sozialen nahraum. beiden jungen mädchen wurde von opferorganisationen trotz ihrer traumatisierung und langer therapie von einer anzeige abgeraten, da es aussichtslos sei, recht zu bekommen; schließlich könne die eine nicht beweisen, daß es nicht freiwillig etwas rauherer sex war (sie war ein partygirl, hat geraucht und geld für hübsche kleider ausgegeben) bzw. habe sich die andere freiwillig in einem raum mit dem vergewaltiger aufgehalten und in ihrem schock nicht sofort alarm geschlagen.
männliche vergewaltigungsopfer sind übrigens um nichts besser dran, die müssen nicht nur mit obengenannten vorwürfen, sondern auch noch mit dem spott leben.
worauf ich hinauswill: gerade bei vergewaltigung stößt man auch bei uns sehr schnell auf alte denkschablonen (kurzer rock fordert vergewaltigung heraus, frauen erfinden dinge zum spaß, ein echtes opfer wehrt sich bis zum tod, der typische vergewaltiger ist ein fremder, der nachts frauen auflauert und wenn frauen anständig leben, passiert ihnen das nicht etc).
und dieser fall in der türkei erinnert mich auch frappant an das herumreichen von mißbrauchsopfern in kirchlichen kreisen – wenn erstmal heraus war, daß ein kind mißbraucht worden war, war es für andere mißbraucher freiwild.
*dennoch hat sich die tiroler tageszeitung damals nicht entblödet zu schreiben, daß die prostituierte ihn wohl nur angezeigt hätte, weil er sie nicht bezahlt habe...
__________________ ubi dubium ibi libertas
The past is a foreign country; they do things differently there. (L. P. Hartley)
|
|
25.02.2011 08:29 |
Offline |
suchen |
Freundesliste |
Portal
|
|
|
Ramon
Normaler Mensch
Dabei seit: 23.11.2008
Beiträge: 7.451
Herkunft: Niederbayern
|
|
Zitat: |
Original von Skeptiker
In der Türkei ist endlich ein Schuldspruch in einem Prozess um ein vergewaltigtes Kind getroffen worden. So wie die Taten, ist auch der Schuldspruch ein Skandal. Das Kind sollte angeblich mitschuld an den jahrelang immer wieder stattfindenden Vergewaltigung durch Mitglieder der lokalen Obrigkeit gewesen sein.
Sexueller Missbrauch oder Belästigung gilt in der Türkei noch immer als Kavaliersdelikt. Kavaliersdelikt für die Männer - Tod* für die Frauen. Woher hat diese Gesellschaft ihre Ideale? (rhetorische Frage)
Link
*Tod durch Ehrenmord |
So schlecht kann das türkische Strafrecht nun auch wieder nicht sein, da ja auch hier Mindeststrafen (ich gehe mal davon aus, dass "Die WELT" hier ordentlich recherchiert hat) gelten.
__________________ "Man fragt sich nur besorgt, was die Sowjets anfangen werden, nachdem sie ihre Bourgeois ausgerottet haben.“
Sigmund Freud
|
|
25.02.2011 09:00 |
Offline |
suchen |
Freundesliste |
Portal
|
|
nicolai
Superintelligenz
Dabei seit: 05.02.2010
Beiträge: 5.047
Herkunft: Graz
|
|
Wer die Türkei und die dortigen Verhältnisse (so wie ich) auch nur ein wenig genauer kennt, der wundert sich eigentlich, daß es überhaupt jemals zu einer offiziellen Anklageerhebung und in weiterer Folge jetzt zu "Schuldsprüchen" gekommen ist; in der Türkei regiert noch immer das orientalische System des "bakschisch" und der "kleinen Gefälligkeiten" (allerdings um einiges öffentlicher als in Österreich), und obwohl es tatsächlich eine hart durchgreifende Korruptionsbekämpfung gibt ist diese gegen das allumfassende Schmiergeld- und Gefälligkeitssystem beinahe machtlos. Und besieht man sich, wer die Angeklagten in diesem Prozeß waren, so zeugt es von großem Mut und hoher Integrität des Richters, daß es überhaupt zu Prozeß und Verurteilung kam.
So sletsam und empörend es auch für unsere rechtsstaatverwöhnten Ohren klingen mag, diese Urteile sind unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen, politischen und religiösen Umstände keineswegs "skandalös" sondern im Gegenteil mutig und richtungweisend, denn üblicherweise hätte es vermutlich überhaupt keine gegeben.
Über die moralische Komponente der Angelegenheit, sowie über meine Ansichten zu Vergewaltigungen oder generell Gewalt gegenüber Kindern und Schwächeren muß ich, wie ich hoffe, keine näheren Erklärungen oder Erläuterungen abgeben...
__________________ ...natürlich hab´ ich leider recht !
|
|
25.02.2011 15:27 |
Offline |
EMail |
suchen |
Freundesliste |
Portal
|
|
|