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Geschrieben von Hinz am 22.04.2016 um 07:57:

 

Hallo pfarrer!

Danke für die fragen. Es gibt zunächst, denke ich mal, sehr viele spielarten von atheismus. Historisch und jeweils zeitgleich.

Lange war es auch üblich atheismus und nihilismus in einen topf zu werfen. Nicht selten geschah das von 'außen' und warl als kritik gemeint; wer nicht an unseren 'wahren gott/götter' glaubt, hat ja nichts wonach er sich richtet, nichts, was ihm heilig wäre.

Vielleicht ist die betontere wertorientierung auch eine antwort darauf.

Atheisten tendieren dazu das leben vom diesseits her zu denken. Was sichee ist, ist dass es menschen gibt, die leid empfinden können. Was unsicher/unwahrscheinlich ist, dass es einen gott gibt, der uns liebt und der dieses leid braucht. Also ist es naheliegend das was leid verursacht als abzulehnen/böse zu bezeichnen und das wasfreude macht und hilft als ut.

Das ist jetzt sehr geob vereinfacht, sollte aber den kern treffen.

Gegenfrage: warum leben sie nicht nach dem buch leviticus? Warum werden christliche burschen nicht beschnitten? Waren es nicht auch menschen die hier entschieden haben? (Und diese persönliche entscheidung dann als interpretation des willen gottes erklärt haben/oder von nachfolgenden generationen genearationenso interpretiert wurden?



Geschrieben von pfarrer am 22.04.2016 um 16:48:

  RE: Atheismus und Ethik

Ich verstehe Moderne nur als Abgrenzung zu Vor- und Postmoderne. Bitte nicht dran aufhängen. Albert Camus, Friedrich Nietzsche, Simone de Beauvoir fallen mir da ein - haben alle drei zumindest ein Naheverhältnis zu Nihilismus und Atheismus.



Geschrieben von pfarrer am 22.04.2016 um 17:21:

 

Danke für die Gedanken! Na ich versuche schon, nach dem Buch Leviticus zu leben. Allerdings in der Interpretation des mosaischen Gesetzes durch Jesus und die Apostel. Klar waren das Menschen, aber Jesus war halt nach christlicher Überzeugung nicht nur Mensch, sondern ist eben auch Gott. Das muss man aber glauben, damit es Sinn macht Augenzwinkern

Ich finde es nicht ganz nachvollziehbar, einerseits die Existenz von göttlichen Wesen abzulehnen und andererseits Leid oder Lust, die ja immer starke kulturelle und subjektive Anteile haben, zum ethischen Prinzip zu erklären. Oder anders ausgedrückt: Wenn ich mir anmaße, ein Urteil über die Existenz Gottes zu treffen (was die meisten Religionen ja auch tun), warum gebe ich mich mit einer Ethik zufrieden, die nicht in ähnlichen Dimensionen denkt? Deswegen empfinde ich die Paarung Nihilismus und Atheismus irgendwie einleuchtender als die Paarung Relativismus und Atheismus.



Geschrieben von Der Brunnen ohne Krug am 22.04.2016 um 17:36:

 

Zitat:
Original von pfarrer
Ich finde es nicht ganz nachvollziehbar, einerseits die Existenz von göttlichen Wesen abzulehnen und andererseits Leid oder Lust, die ja immer starke kulturelle und subjektive Anteile haben, zum ethischen Prinzip zu erklären.

Hallo pfarrer, findest du den Gedanken nachvollziehbar, dass durchaus auch einige nicht-menschliche Tiere "ein Gefühl für (Un-) Fairness" haben? Geht so etwas nicht auch - möglicherweise ohne Vorstellungen eines transzendenten Gottes - in die Richtung einer Moral von Gut und Böse?
Denker



Geschrieben von pfarrer am 22.04.2016 um 17:57:

 

Finde ich voll nachvollziehbar, aber diese Tiere sind ja keine Atheisten, weswegen der Vergleich mich jetzt mit meiner Frage nicht recht weiter bringt Augenzwinkern



Geschrieben von Der Brunnen ohne Krug am 22.04.2016 um 19:49:

 

Was sich bei diesen Tieren entwickelt könnte sich ja auch bei Menschen entwickeln. Das könnte dich mit deiner Frage weiterbringen. smile



Geschrieben von Hinz am 23.04.2016 um 08:27:

 

Man kann das auch anders betrachten:

Wenn die Kultur die Wertung und Beurteilung von Gut und Böse zustande bringt, wieso muss sie dann noch einen Gott dazwischen schalten. Gut, Schön, Wahr ... sind Transzendentalien, die man auch als Ideen an sich betrachten kann, ohne zuerst (den) einen Gott erschaffen zu müssen, dem man sie dann zuschreibt. (Was einen erst wieder vor das Theodizeeproblem stellt ...)


Was die Interpretation angeht:
Das neue Testament wurde nicht von Jesus geschrieben, sondern bis zu überhundert Jahre nach seinem Tod. Man muss also auch glauben, dass lauter Menschen ohne Eigeninteresse die Wahrheit und nichts als die Wahrheit überliefert haben, und das dann auch so zu Papier gebracht haben. Inklusive Übersetzungsfehler-Freiheit. Nicht nur dürfen beim Übersetzen keine Fehler gemacht worden sein, die Sprache muss sich dafür auch noch geeignet haben, so übersetzt zu werden.

Und Paulus, der Gründer des Christentums war ja nicht göttlich? Trotzdem hat er das Gebot zur Beschneidung am Penis aufgehoben, und das Verbot der Meeresfrüchte? Muss man da nicht zugestehen, dass diese Religion von Menschen gemacht wurde? Wie weit ist es von da weg noch, zu erkennen, dass die Zuschreibung "Jesus war Gott" nicht auch im Nachhinein von Menschen gemacht wurde?


Es gibt jedenfalls Atheist/innen die sich als relativistisch, nicht als nihilistisch bezeichnen und verstehen.



Geschrieben von Hinz am 23.04.2016 um 08:32:

 

Zitat:
Original von ALO Atheist
Zitat:
Original von Der Brunnen ohne Krug
Gleichzeitig ist es offenkundig, dass einige Atheistinnen und Atheisten glauben, dass sie selber nicht an Götter glauben ...

Ja, die "Atheistische Religionsgesellschaft in Österreich".


Jetzt bist du in die Falle des Brunnen getappt.

Die ARGiÖ glaubt ja nicht, dass sie keine Götter hat. Sie ist sich dieser Götter durchaus bewusster als andere Atheist/innen, die die Existenz von Gottheiten leugnen.

Es geht um das "glauben, dass sie (nicht) glauben".

Wenn die Menschen Gott nach ihren Bedürfnissen / Ebenbildern erschaffen. Dann bleibt es erschaffen. Und ob das dann Gott, Götze oder soziale Institution heißt ...



Geschrieben von nicolai am 23.04.2016 um 10:21:

  RE: Atheismus und Ethik

Zitat:
Original von pfarrer
Sie dürfen sich ebenso ersparen, die durchaus beachtlichen gesellschaftlichen Wohltaten von Kirchen und Religionen anzuführen, denn die Qualität einer Weltanschauung bemisst sich nicht an der Moral ihrer Anhänger. Augenzwinkern


Da mir darüber nur unzureichende Informationen vorliegen darf ich Sie vielleicht bitten, mir einige Beispiele dieser "kirchlichen und religiösen Wohltaten an der Gesellschaft" anzuführen, auf daß sich mein Horizont erweitere...
...und, au contraire, die "Qualität einer Weltanschauung" mißt sich sehr wohl auch an jenen, die ihr anhängen, noch mehr an jenen, die sie vertreten und verbreiten und deren jeweiligen Handlungen.



Geschrieben von nicolai am 23.04.2016 um 10:31:

 

Zitat:
Original von pfarrer
verstehe ich dich recht, dass du folgende Reihung machst:
Individuelle Ethik > Konsens-Ethik > von göttlichem Wesen vorgegebene Ethik ?

Nein, das verstehen Sie nicht richtig; Ethik und Moral sind Resultate individueller Denk- und Entwicklungsprozesse und können ergo nicht "verordnet" werden. Insofern ist eine "von göttlichen Wesen vorgegebene" Ethik, bzw. Moral keine im Sinne des Begriffes.
Oder, um es einfacher auszudrücken : der Befehl für den Soldaten, jemanden zu töten macht aus der Handlung noch lange nicht "keinen Mord"; was nicht heißen soll, daß das Individuum diesen Mord nicht nach seiner eigenen Ethik zu rechtfertigen imstande sein kann.



Geschrieben von nicolai am 23.04.2016 um 10:42:

 

Zitat:
Original von pfarrer
Finde ich voll nachvollziehbar, aber diese Tiere sind ja keine Atheisten,

Tja, aber "Gläubige" sind sie wohl auch nicht... Happy



Geschrieben von nicolai am 23.04.2016 um 10:55:

 

Zitat:
Original von pfarrer
Deswegen empfinde ich die Paarung Nihilismus und Atheismus irgendwie einleuchtender als die Paarung Relativismus und Atheismus.


Aha. Und weswegen "muß" da überhaupt eine "Paarung" existieren ? Zumal im Gegenzug sich die "Paarung" Kirche und Faschismus, bzw. Totalitarismus ja geradezu aufzwingt ?



Geschrieben von ALO Atheist am 23.04.2016 um 13:13:

 

Lieber Hinz,

ich habe die Falle des BoK sofort erkannt und ihn selbst hineingesetzt. smile

Und komme mir nicht mit religiöser Killerrhetorik, andere leugneten das, woran man selbst glaubt.

Niemand bezweifelt, dass sich Menschen "Götter" ausgedacht haben. Augenzwinkern



Geschrieben von Der Brunnen ohne Krug am 23.04.2016 um 19:30:

 

Zitat:
Original von ALO Atheist
Lieber Hinz,

ich habe die Falle des BoK sofort erkannt und ihn selbst hineingesetzt. smile

Hab ich was verpasst?



Geschrieben von ALO Atheist am 23.04.2016 um 19:45:

 

Zitat:
Original von Der Brunnen ohne Krug
Hab ich was verpasst?

Ist das der neue megageile Leitspruch pubertierender Dutter?



Geschrieben von Der Brunnen ohne Krug am 23.04.2016 um 20:12:

 

Nein, der würde vielleicht eher lauten: "Ey, Alter, was geht ab?" Lachen



Geschrieben von Hinz am 23.04.2016 um 22:13:

 

Zitat:
Original von ALO Atheist
Lieber Hinz,

ich habe die Falle des BoK sofort erkannt und ihn selbst hineingesetzt. smile

Und komme mir nicht mit religiöser Killerrhetorik, andere leugneten das, woran man selbst glaubt.

Niemand bezweifelt, dass sich Menschen "Götter" ausgedacht haben. Augenzwinkern


Wo sage ich andere "leugneten das"? Sage ich ja nicht. Das sage ich: Andere glauben, dass sie nicht glauben.



Geschrieben von ALO Atheist am 23.04.2016 um 22:35:

 

Hier sagst du das: Augenzwinkern

Zitat:
Original von Hinz
Die ARGiÖ [...] ist sich dieser Götter durchaus bewusster als andere Atheist/innen, die die Existenz von Gottheiten leugnen.

Ihr von der "Atheistischen Religionsgesellschaft in Österreich" seid ja radikal religiöser als so manche andere religiöse Gruppierung. Und dann wundert ihr euch noch, dass ihr kaum Mitglieder findet?

Atheisten leugnen nicht die Existenz von Gottheiten, sie wissen, dass es keine Gottheiten gibt. Selbstverständlich wissen sie, dass sich Menschen Gottheiten ausgedacht haben, aus welchen Gründen auch immer: um Menschen zu versklaven, um Frauen zu entrechten, um Homosexuelle zu töten, um Andersgläubige zu unterdrücken oder zu töten, um Kindern die freie Entfaltung zu verunmöglichen, vielleicht fallen dir noch ein paar weitere religiöse Werte ein.



Geschrieben von Hinz am 24.04.2016 um 07:40:

 

Polen überfallen, sonntagsarbeitszeit, pensionsvorsorge privatisieren ...

Persönliche daten verscherbeln, ölverbrauch, umweltverschmutzung,....

Was ist schon ein gott, was ist schon eine religion..



Geschrieben von Hinz am 24.04.2016 um 11:10:

 

So manche anfeindungen zb gegen pfarrer hier erinnern mich an das was ein atheistischer freund berichtet hat, wie er in einem islamforum aufgenommen wurde..

Also religiosität hat viele facetten...


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