Freidenker Community | Druckvorschau: wer die sprache ändert, ändert die welt!

Geschrieben von atlana am 26.05.2010 um 07:58:

wer die sprache ändert, ändert die welt!

in niederndorf hat letzthin ein mann seine frau von hinten mit einem stumpfen gegenstand erschlagen und sich anschließend erhängt.

niemand weiß, warum er seine frau ermordet hat, aber die zeitungen schreiben von einer "beziehungstragödie"

wenn das ehepaar türkischer abstammung gewesen wäre, würden die zeitungen "ehrenmord im dorf" brüllen, weil sich sicher hinterher irgendein dörfler daran erinnern würde, daß die frau dem würschtelstandbetreiber oder dem huaba-bauern bedeutsame blicke zugeworfen habe.
wenn der mann eine fremde auf der straße erschlagen hätte, würden sie wahrscheinlich sowas schreiben wie "frau von wahnsinnigem überfallen und grausam ermordet".

aber weil er ja geschickterweise seine eigene ehefrau ermordet hat, kommt der arme hascher medial mit einer "beziehungstragödie" davon. das inkludiert nicht nur eine "mitschuld" der frau, sondern auch untragbare zustände in der ehe, womöglich über einen längeren zeitraum. ("er war so verzweifelt, daß er sich nicht mehr anders zu helfen wußte als…")

daß kein mensch eine ahnung hat, warum er denn seine frau ermordet hat, daß die ganze "tragödie" sich allein im kopf des mannes abgespielt haben könnte (wie zb bei diesem axtmörder, der der familie die "schande" ersparen wollte, mit seinen schulden zu leben), das interessiert niemanden.

meine kritik an diesem fall ist nicht so sehr eine feministische als vielmehr eine philologische. in diesen unsäglichen wortgebilden ("beziehungsdrama", "private tragödie") manifestiert sich die verlotterung und der mißbrauch von sprache in den modernen medien.

Geschrieben von Ramon am 26.05.2010 um 08:31:

Wenn Dich das Studium der Tageszeitung emotional so erregt, dann halte Dich doch an die Verlautbarungen von Polizei und Staatsanwaltschaft.

Geschrieben von atlana am 26.05.2010 um 16:23:

mir persönlich ist die quellenkritik sowieso intus.
aber die meisten leute, die das lesen, nehmen es für bare münze.

ich weiß, du hast es nicht so mit dem idealismus Augenzwinkern

, aber ich bin altmodisch genug, um zu verlangen, daß medien nicht das schlechteste im menschen bedienen sollten, sondern das beste.

Geschrieben von Ramon am 26.05.2010 um 20:14:

Altmodisch? Dass man sich jetzt für die ganze Welt verantwortlich fühlt, halte ich für eine ziemlich moderne Erscheinung. Andererseits, berichtige mich bitte, wenn ich falsch liege, war es nicht schon Vergil, der meinte, dass sich die Römer um die ganze Welt zu kümmern hätten?

Geschrieben von atlana am 27.05.2010 um 10:05:

würde gut zu ihm passen. Lachen

aber insgesamt ist das gefühl "die ganze welt muß sein wie ich"
a) generell extrem weit verbreitet
b) nicht mein hauptimpetus.

ich habe eine lange liste schlechter eigenschaften (schlecht zumindest für andere), aber eine meiner guten eigenschaften ist mein gerechtigkeitssinn, bilde ich mir ein.

und in diesem speziellen fall verfolge ich einfach schon zu lange zu viele verbrechen, die in zu vielen medien als "familientragödie" bezeichnet wurden. das ist einfach so orwell.
dazu liebe ich auch die deutsche sprache zu sehr.... oder ich habe sie einmal geliebt. mittlerweile erkenne ich sie nicht mehr wieder.

Geschrieben von nicolai am 27.05.2010 um 10:09:

Die Umwelt, und dazu gehört schließlich auch die tagtäglich gehörte und gesprochene Sprache, prägt den Menschen, heißt es; und deshalb finde ich die Kritik völlig gerechtfertigt, schon seit langem fallen mir (und auch diesbezüglich sicherlich kompetenteren Linguisten) die manipulativen Wortschöpfungen und -verdrehungen diverser Medien auf, sei es etwa die Formulierung "gezielte Tötung" für vorsätzlichen Mord (Israel eliminiert hochrangige Palästinenserführer) oder die mittlerweile weit verbreitete Bezeichnung "bewaffnete Auseinandersetzung" für einen Krieg, den man nicht als solchen gesehen haben möchte (z.B. Afghanistan), auch "bewaffnete Intervention" statt "Invasion" oder "Einmarsch" ist recht beliebt (Serbien, bzw. Balkankrieg).
Die Sprache der Massenmedien ist ein Vehikel, um vorgefertigte Meinungen zu transportieren, und weniger, um objektive Nachrichten zu verbreiten, und dem durchschnittlichen Leser von Bild- oder Kronenzeitung (aber nicht nur) wird dieses nicht bewußt. Es handelt sich dabei um gezielte Meinungsmanipulation im großen Stil, und ich sehe darin durchaus ein Problem für die Gesellschaft als solches, zumindest für die Form von Gesellschaft, in der ich mein Leben leben möchte; ein wunderbares Beispiel für die manipulative Wirkung der Sprache ist die derzeitige Verunglimpfung der Griechen als "faul und betrügerisch", eine Generalisierung, die durch die deutschen (und auch viele österreichischen) Printmedien vehement betrieben wird, wiewohl sie per se nicht zutreffend sein kann (Generalisierungen sind niemals richtig), die mich stark an die "Judenhatz" vergangener Zeiten erinnert...
Aus der Werbepsychologie ist bekannt, daß sich der subjektiv empfundene Wahrheitsgehalt einer Aussage proportional zur Wiederholung derselben vergrößert, und der (in der Mehrzahl) unbeschlagene und unkritische Leser derartiger Aussagen übernimmt in Form von "Werbeslogans" eine bestimmte Denkrichtung, wenn diese nur oft genug propagiert wird, wie atlana am Beispiel der "Ehekrise" bereits geschildert hat. Und da der durchschnittliche Bürger seine Information zum größten Teil aus den Massenmedien bezieht, ergo auch die diversen qualitativen Bezeichnungen für gewiße Vorfalle übernimmt, importiert er/sie solcherart auch mehr oder weniger die dadurch kolportierte "message", bzw. die dahinterstehende Bedeutung (z.B. wer die Bezeichnung "bewaffnete Intervention" in sein Denkmuster übernimmt, der sieht einen Überfall eines Landes - in den meisten Fällen die Vereinigten Staaten - auf ein anderes Land nicht mehr wirklich als Invasion und Krieg, sonder eben als quasi harmlose "Intervention", also tolerierbar. Oder eben einen Mord als eigentlich verständliches Resultat eines lang andauernden Ehestreites oder wahlweise als weiteren Beweis für die Unterdrückung der Frau - bis hin zu ihrer quasi-legitimen "Tötung" in islamischen Haushalten ....).

Geschrieben von Ramon am 27.05.2010 um 11:15:

Zitat:

Original von atlana

ich habe eine lange liste schlechter eigenschaften (schlecht zumindest für andere), aber eine meiner guten eigenschaften ist mein gerechtigkeitssinn, bilde ich mir ein.

Wenn Du mal Karriere gemacht hast, und ich zweifle nicht daran, dass dies mal kommen wird, und Du eine Macht-oder Verantwortungsposition inne haben wirst, dann wird sich zeigen, was dieser Gerechtigkeitssinn noch wert ist.

Frage: Warum sind Sie schon als Jugendlicher in die SPD eingetreten?

Antwort: Mein Gerechtigkeitssinn sagte es mir.

Frage: Warum sind sie jetzt, nach fast 40 Jahren, wieder ausgetreten?

Antwort: Mein Gerechtigkeitssinn sagte es mir.

Geschrieben von nicolai am 28.05.2010 um 17:46:

...do hot er oba laung braucht, da Gerechtigkeitssinn, daß er do draufkummt...

Geschrieben von atlana am 02.06.2010 um 09:01:

nachtrag:

sie haben es schon wieder gemacht.
heute steht ein mann in salzburg vor gericht, der seine vier kinder erstechen und die frau am leben lassen wollte, damit sie "mit der erinnerung leben muß" (staatsanwalt). er hat vorher schon extreme eifersucht gezeigt, die frau mit umbringen bedroht und eine paartherapie (!!!) abgebrochen, bis ihn eines tages der rappel gepackt hat und er seine fünfjährige tochter schwer verletzt hat.
er hat eine narzisstische persönlichkeitsstörung diagnostiziert.
das ist wohl das paradebeispiel von "alles nur im kranken hirn des vaters", aber nein, die zeitung muß titeln: FAMILIENTRAGÖDIE vor dem richter!

gestern ein ö1bericht über hoyerswerda, das seit dem ende der ddr verödet – überall sonst auf der welt werden häuser und wohnviertel abgerissen und gebiete wiederaufgeforstet, aber nicht in hoyerswerda! in hoyerswerda wird RÜCKGEBAUT!
sie verwenden das richtig auch als verb "da war ein häuserzug, der mittlerweile rückgebaut wurde"

Geschrieben von Ramon am 02.06.2010 um 17:04:

Alles nur im kranken Hirn des Vaters, hört sich aber auch nicht sachlicher an.

Geschrieben von Skeptiker am 02.06.2010 um 17:39:

RE: wer die sprache ändert, ändert die welt!

Zitat:

Original von atlana
meine kritik an diesem fall ist nicht so sehr eine feministische als vielmehr eine philologische. in diesen unsäglichen wortgebilden ("beziehungsdrama", "private tragödie") manifestiert sich die verlotterung und der mißbrauch von sprache in den modernen medien.

Auch ich bin gegen die Verlotterung der Sprache. Darum singe ich jetzt gleich ein Mehrzweckhalle-Luja. lachmitot

Geschrieben von atlana am 03.06.2010 um 09:18:

stimmt, aber wenn ich einen artikel zu schreiben hätte, würde ich mir das verkneifen. sprachbeherrschung zeigt sich ja gerade daran, daß man sich sprachlich den verschiedenen milieus anpassen kann, in denen man sich bewegt. ein forumseintrag ist was anderes als ein zeitungsartikel, und der ist wieder etwas anderes als ein psychiatrisches gutachten, ein 'tatort'-drehbuch, ein splatterkrimi oder eine anleitung für den richtigen gebrauch von messern.

wahrscheinlich wären meine artikel aber auch stinkfad zu lesen, das gebe ich zu. Lachen

Geschrieben von Ramon am 04.06.2010 um 18:47:

Zitat:

Original von atlana

wahrscheinlich wären meine artikel aber auch stinkfad zu lesen, das gebe ich zu. Lachen

Für die Leser von Bild, Krone und TZ (München) vermutlich schon. Lachen

Geschrieben von nicolai am 05.06.2010 um 10:00:

Wer bitte (außer Amerikanern: "Achtung ! Sie könnten sich verletzen, der Hersteller übernimmt dafür keine Verantwortung, versichern Sie sich vor Gebrauch, daß Sie im Beisein von zwei Dutzend Anwälten von einem ausgebildeten Metallurgen sowie fünf Experten im korrekten Gebrauch des Messers unterrichtet wurden; eine eventuelle Vergiftung durch die metallischen Bestandteile des Artikels ist bei unsachgemäßer Handhabung nicht auszuschließen, wie unter Punkt 156, Absatz 19, Ziffern 23 bis 734 explizit angeführt; eine nichtsachgemäße Anlegung oder Vermeidung derselben der beiliegenden Ganzkörperpanzerung hat, wie unter Punkt 37, Absatz 2 bis 8945 angeführt, automatischen Haftungsausschluß des Herstellers, seiner Familie, Bekanntenkreises und aller mit ihm im juristischen oder körperlichen Sinn verbundenen Personen, Körperschaften, Staaten oder Sondermülldeponien zur Folge, sofern diese nicht am 32. April in Buxtehude drei ! Stück Apfelkuchen zu sich genommen haben und denselben in einem Zeitraum von 8 Monaten in der Beringsee wieder von sich gegeben haben. Auch erklärt sich der Anwender damit einverstanden, daß alle personenbezogenen Daten an NSA, CIA, google und andere nicht näher bezeichnete Institutionen und Netzwerke weitergegeben werden, gegen eine eventuelle Verhaftung wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung oder des Besitzes von Massenvernichtungswaffen keinerlei Schritte zu unternehmen und sein gesamtes Hab und Gut sowie das seiner Kinder, Kindeskinder und sonstigen Verwandtschaft einschließlich seiner Lebensgefährtin, Ehegattin oder mit ihm sonst in irgendeiner sexuellen Beziehung stehenden Person an den Hersteller abzutreten, sollte er gegen irgendeinen Punkt dieser Gebrauchsanweisung verstoßen.
Gerichtsstand ist auf dem Mond."), braucht eine Gebrauchsanweisung für ein Messer ?

Oder eine "Bild"-Schlagzeile ?
Irrer Vater versucht eigene Kinder zu ermorden ! Mutter entsetzt ! Verbindungen zu Al-Quaida und RAF entdeckt ?
Wir fordern : Inländer raus aus dem Ausland !